Herz an Herz
Ihre inneren Werte mehr zu schätzen weiß als Ihr Clowns-Kostüm. (Tragen Sie vielleicht eine bayrische Lederhose, in der es sich wie zum Schutz bestens auf Schenkel klopfen lässt, wenn Sie Ihre zugegeben neckischen Kalauer zum Besten geben?)
Auch wenn ich also gut nachvollziehen kann, dass sich Ihre Nachbarin von Ihrem sonderbaren Humor bestens unterhalten fühlt, muss ich Sie dennoch eindringlich vor mir warnen. Ich sehe einer «Brieffreundschaft» durchaus mit einer gewissen Neugier und Spannung entgegen. Aber wenn Sie mir Ihr Seelenleben anvertrauen, müssen Sie mit schonungslosen Fragen und zynischen Kommentaren rechnen. Als Freak (und noch dazu als Mann!) rate ich Ihnen dringend, den Kopf einzuziehen, bevor Sie weitere Briefe von mir lesen. Denn eigentlich hatte ich mir für eine gewisse Zeit lang eine Kontaktsperre verordnet, was den Austausch mit der männlichen Gattung dieses Planeten angeht.
Abgesehen von meinem Schwager (= Neutrum), der mit meiner Schwester und den beiden Kids Lilly und Lenny (= Neutrum) unser Haus mit Leben füllt, meinem Vater (= Neutrum) und meinem besten Freund Fiete (homosexuell = Neutrum) pflege ich mit dem anderen Geschlecht seit Monaten eine eher eindimensionale Konversation. Und ich frage mich, warum mir das Schicksal ausgerechnet in der dunkelsten Männerhasserphase meines Lebens einen neuen Kontakt zumutet. Bitte versuchen Sie, meine akute Allergie und die daraus resultierenden Spitzen nicht persönlich zu nehmen. Sie können ja auch nichts dafür, dass Sie ein Mann sind. Und es ist sicher auch nicht Ihre Schuld, dass meine beste Freundin Melli erst letzte Woche von einem Idioten verlassen wurde, weil seine (ihr bis dahin unbekannte!) Frau hinter das Doppelleben ihres Mannes kam. Auch können Sie nichts dafür, dass wiederum ich eine ähnlich traumatische Erfahrung mit einem wahren Musterexemplar der männlichen Gattung «Arschloch» machen durfte, die meinen Glauben an das Zusammenleben zwischen Männchen und Weibchen gelinde gesagt erschüttert hat.
Wenn Sie dennoch erlauben, sind Sie ab sofort mein Versuchskaninchen, um die schriftliche Kontaktsperre zeitweise zu lockern und so vielleicht mein in 1000 Teile zerbrochenes Weltbild zumindest links unten am Rand wieder zusammenzusetzen.
Und wer weiß? Vielleicht erfahre ich dann ja tatsächlich noch, warum Sie allein an die Ostsee verreisen, obwohl ich für meinen Teil erst mal genug habe von der Lübecker Bucht.
Herzliche Grüße
Ihre Brieffreundin Sara B.
PS . Ist es eigentlich unhöflich, «freundliche Füße» abzulehnen? Oder war das ein Schreibfehler?
PPS . «Postskriptum: Ein Postskriptum oder auch Post Scriptum (von lat. «post» als Präposition mit Kasusrektion Akkusativ: hinter, nach, und «scribere»: schreiben, beziehungsweise dessen PPP «scriptum»: geschrieben) ist ein Anhang an einen Text. Deutsche Bezeichnungen sind Nachschrift, Nachsatz und die Abkürzung ‹ NS ›. Es wird oft in Briefen oder ähnlichen Kommunikationsvarianten wie E-Mail oder Usenet verwendet. Eine ähnliche Verwendung hat notabene, abgekürzt NB .
Das Anhängsel PS stammt aus der Zeit der Briefe, als man alles von Hand schrieb. Es hatte den Vorteil, dass durch das Vergessen eines wichtigen Teiles nicht alles nochmals geschrieben werden musste, sondern man es einfach anhängen konnte. In der Zeit der E-Mails wird es jedoch hauptsächlich dafür verwendet, um Dinge anzuhängen, die nichts direkt mit dem eigentlichen Thema zu tun haben.
Wenn es als Kennzeichnung eines Anhanges benutzt wird, schreibt man seine Bezeichnung nie aus. Laut Duden und DIN 5008 lautet die korrekte Abkürzung ‹ PS ›. Andere Schreibweisen wie ‹P.S.›, ‹p.s.› oder ‹ PS .› sind zwar nicht korrekt, werden im deutschen Sprachraum trotzdem oft verwendet und sind zum Teil sehr gebräuchlich.
Mehrfachverwendung: Bei weiteren Postskripta stellt man jeweils ein weiteres P voran:
erstes Postskriptum: PS
zweites Postskriptum: PPS
drittes Postskriptum: PPPS
usw.
***
14. September 2010
Liebe Sara Becker,
erst einmal bin ich erleichtert. Puh! Ich dachte, nach meinem letzten Brief würden Sie den Kontakt abbrechen. Und als ich Ihren Brief dann voller Vorfreude aufgerissen habe und den ersten Satz las, dachte ich: Sie bricht den Kontakt ab, aber vorher schreibt sie mir noch, was sie von mir hält! Oder wie sollte ich Ihren ersten Satz sonst deuten:
Sie müssen sehr einsam sein.
Ein Satz wie ein Keulenhieb.
Ich musste erst
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