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Herz an Herz

Herz an Herz

Titel: Herz an Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer , Sven Ulrich
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einmal aufstehen und mir ein Weißbier aufmachen und mich auf den Balkon stellen, wo ich dann lange in den Hinterhof geguckt habe. (Es gibt Leute, die halten den Ausblick von meinem Balkon für magisch, aber dazu später mehr!) Nach einem Schluck Bier überkam mich die Frage: Bist du wirklich einsam?
     
    Stille!
     
    Dann bin ich zurück zu Ihrem Brief und habe weitergelesen. Hier stellte sich die Erleichterung ein, von der ich in meinem ersten Satz schrieb. Puh!
    Was für ein schöner Brief, dachte ich nach der Lektüre und habe mich noch einmal auf meinen Balkon gesetzt. Diesmal mit Ihrem Brief und dem Weißbier. Und als ich da so saß, musste ich schmunzeln, und ein bisschen fühlte ich mich geschmeichelt. Warum? Nun, ganz offenbar waren meine leichtfertig dahingeschriebenen Worte gründlich seziert und genauestens unter die Lupe genommen worden. Das hat mich gefreut!
     
    Kann sein, dass ich gleich etwas abschweife, wie es manchmal so meine Art ist, also sage ich es an dieser Stelle noch einmal deutlich: Mir haben Ihre Worte sehr gefallen!
     
    So stand ich also auf meinem Balkon, sah am Himmel einem stummen Flugzeug nach, und die Frage, ob ich denn nun einsam bin oder nicht, hallte in mir hin und her. Berti, bist du einsam? Ich, einsam? Lächerlich! Oder?
     
    Vier Tage später:
    Es tut mir leid, aber ich hatte plötzlich den Faden verloren und musste den Brief ein bisschen liegen lassen. Und ich musste auch ein bisschen nachdenken. Aber ehrlich gesagt, habe ich bis jetzt keine Antwort auf meine Fragen gefunden. Das liegt nicht daran, dass mich die Fragen nicht weiterhin beschäftigt hätten, aber ich muss gestehen, dass ich in meinem Tagesablauf (sollte ich sagen: in meinem Leben?) offenbar keinen Platz für solche Überlegungen freigelassen habe.
    Das ist tatsächlich die größte Erkenntnis, die ich nach Ankunft Ihres Brief ziehen konnte: Ich habe mein Leben so eingerichtet, dass ich mich der Frage: «Berti, wie fühlst du dich eigentlich in deinem Leben so?» gar nicht stellen kann.
    Ich wache morgens auf, gehe verschlafen in die Küche (manchmal mit freundlichen, manchmal mit unfreundlichen Füßen), mahle Espresso mit meiner elektrischen Mühle (auf die ich sehr stolz bin), fülle den Kaffee ein, mache den Herd an, stelle die Espresso-Kanne auf den Herd, fülle Milch in meinen elektrischen Milchaufschäumer (ein weiteres Lieblingsstück), lasse den Schäumer aber noch aus, gehe mich waschen, was genau so lange dauert, bis der Kaffee durchgelaufen ist und ich den elektrischen Milchaufschäumer endlich anwerfen kann. Schrank auf, Tasse raus, Löffel raus – und ins Schlafzimmer, wo die Klamotten für den Tag hängen. Wenn ich fertig angezogen bin, ist die Milch fertig, und ich trinke meinen Kaffee.
    Jetzt wäre Zeit zum Nachdenken? Nein. Während ich den Milchkaffee trinke, schmiere ich mir Brote für das Frühstück im Büro. Wenn ich damit fertig bin, putze ich mir die Zähne (mit einer elektrischen Zahnbürste, mit der ich Erinnerungen an eine spezielle Zeit verbinde), räume währenddessen die Sachen vom Küchentisch, spüle mir den Mund und verlasse die Wohnung (neuerdings gehe ich sehr leise die Treppen herunter – wegen Petzi, meiner Nachbarin …).
    Auf dem Weg zum Büro könnte ich nachdenken, sagen Sie? Pustekuchen! Ich fahre mit dem Rad, und das braucht im morgendlichen Berufsverkehr meine volle Konzentration. Im Büro arbeite ich meist hochkonzentriert, und abends sieht es so durchgetaktet aus wie morgens, nur mit wechselnden Aktivitäten: Joggen, Mutter besuchen, Rechnungen schreiben, Tagesschau gucken, einen Freund anrufen, Wäsche waschen, Wäsche zusammenlegen, 15 Seiten Fachbuch lesen, 15 Seiten Roman lesen (ich arbeite die Romane durch, die ich seit Jahren schon lesen wollte), die Klamotten für den nächsten Tag rauslegen, einmal die Woche Geschäftspartner treffen, Schuhe putzen. Im Bett lausche ich dann noch einem Hörspiel, bis ich einschlafe. Meistens brauche ich ein halbes Jahr, bis ich ein Werk durchgehört habe, da ich nach fünf Minuten einschlafe.
    Halt, höre ich Sie sagen! Und wann schreiben Sie mir die Briefe? Und außerdem haben Sie, lieber Herr Huber, vorhin geschrieben, dass Sie auf dem Balkon standen und ein Bier getrunken haben. Wann sollte das in Ihrem strammen Tagesrhythmus möglich gewesen sein? Lügen Sie etwa?
    Nein, ich lüge nicht, liebe Sara Becker. Seit ich Sie kenne, kommt mein Leben … nun ja … irgendwie durcheinander. (Wobei, «kennen» ist

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