Herz aus Feuer
sie unter der Zudecke fast vergraben war, fühlte sie sich sehr kalt an. Er wollte sie in die Arme nehmen und wärmen und entdeckte zu seiner Bestürzung, daß sie noch zu schlafen schien.
»Houston, mein Liebling«, sagte er mit sachter, aber eindringlicher Stimme, »wach auf!«
Als Houston endlich die Augen aufschlug, begann sie noch mehr zu zittern, obwohl Kane sie mit beiden Armen umfing.
»Meine Schwester ist in Gefahr. Meine Schwester ist in Gefahr«, wiederholte sie immer wieder. »Meine Schwester . . .«
»Ja, doch«, sagte Kane und schwang die Beine aus dem Bett. »Du bleibst liegen, während ich bei ihr anrufen und mich erkundigen werde, was los ist.«
Kane rannte, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe zur Bibliothek hinunter. Als er sich mit der Wohnung von Leander Westfield verbinden ließ, meldete sich dort niemand. Das Mädchen von der Vermittlung sagte sie glaube, Leander sei ins Krankenhaus bestellt worden, weil es auf dem Land eine Schießerei gegeben hätte und die Beteiligten sofort ärztlich versorgt werden müßten. Darauf ließ Kane sich mit dem Krankenhaus verbinden. Die Schwester, die den Anruf entgegennahm, sträubte sich zunächst, Leander ans Telefon zu holen.
»Mir ist es egal, was er gerade macht — das ist nicht so wichtig wie mein Anruf. Richten Sie ihm aus, daß das Leben seiner Frau in Gefahr ist.«
Eine halbe Minute später rief Leander ins Telefon: »Wo ist Blair?«
»Ich habe keine Ahnung. Houston ist oben im Schlafzimmer und zittert so heftig, daß fast das Bett auseinanderbricht, und sie fühlt sich kälter an als eine Leiche. >Blair ist in Gefahr<, sagt sie ununterbrochen. Mehr weiß ich auch nicht;
aber ich dachte mir, daß du das wissen solltest. Als Blair von dieser Französin gefangengehalten wurde, hat Houston sich nicht so benommen. Möglich, daß deine Frau jetzt wirklich in Lebensgefahr ist.«
»Ich werde das gleich feststellen«, sagte Lee, legte den Hörer auf, um die Verbindung zu unterbrechen, und nahm ihn dann gleich wieder hoch. »Mary Catherine«, sagte er zum Mädchen von der Vermittlung, »ich möchte, daß Sie meine Frau für mich suchen. Rufen Sie jeden an, bei dem sie sein könnte, und finden Sie sie so rasch wie möglich. Aber sagen Sie um Gottes willen keinem, daß Sie nach ihr suchen!«
»Ich weiß nicht, ob ich das übernehmen kann, nachdem sie mir erst letzte Woche vorgeworfen hat, ich würde ihre Gespräche belauschen.«
»Wenn Sie Blair für mich finden, Mary Catherine, werde ich dafür sorgen, daß Blair alle Ihre Kinder kostenlos entbindet — und auch die Kinder Ihrer Schwester. Und ich werde diese Warzen an Ihrer rechten Hand entfernen.«
»Geben Sie mir eine Stunde Zeit«, sagte Mary Catherine und zog den Stöpsel heraus.
Lee war überzeugt, daß dies die längste Stunde seines Lebens sein würde. Er kehrte in den Operationssaal zurück und war froh, daß Mrs. Krebbs inzwischen die Wunden des Revolverhelden, der auf dem Operationstisch lag, bereits vernäht hatte. Sie hatte einiges dazu zu sagen, daß er mitten in einer Operation den Saal verließ, um ans Telefon zu gehen; aber er hörte ihr gar nicht zu. Er konnte nur daran denken, daß er diesmal Blair umbringen würde, wenn er ihren Hals zwischen die Finger bekam. Kein Wunder, daß sie in den letzten Tagen so friedfertig gewesen war: Zweifellos hatte sie die ganze Zeit über etwas nachgedacht, das ihr Leben in Gefahr bringen würde.
Er ging zurück in die große Eingangshalle des Hospitals, wo sich das Telefon befand, und rauchte eine Zigarre nach der anderen, bis sich eine der Schwestern über den Rauch zu beschweren begann. Er knurrte sie so wütend an, daß sie sich furchtsam zurückzogen. Er lief vor dem Telefon auf und ab, und als ein stolzer frischgebackener Vater telefonieren wollte, drohte Lee ihm und seiner Nachkommenschaft den Tod an, wenn er den Apparat anzufassen wagte. Alle drei Minuten nahm er den Hörer ab, um Mary Catherine zu fragen, was sie denn inzwischen Neues erfahren hätte. Nach seinem fünften Anruf erklärte sie ihm, sie könnte unmöglich etwas Neues erfahren, wenn sie ständig seine Anfragen beantworten müsse.
Es gelang ihm, sich fünf Minuten lang zu beherrschen, ehe er wieder nach dem Hörer griff. Das Telefon läutete, als er gerade die Hand darauf legen wollte. »Wo ist sie?« begehrte er zu wissen.
»Wir hätten so etwas vermuten sollen. Jemand — und ich kann Ihnen nicht sagen, wer, weil ich sonst befürchten muß, daß die
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