HERZ HINTER DORNEN
eiskalten Wort zusammen. Reines Feuer loderte aus den Augen des Ritters, die all ihre leblose Distanz verloren hatten. »Schert Euch hinaus, wenn Ihr nur unken könnt. Dies ist meine Gemahlin, und ich sage Euch, sie wird leben!«
Die bedingungslose Leidenschaft seiner Worte verschlug dem Medicus ebenso die Sprache, wie ihn der Inhalt beleidigte. Er nickte Lady Liliana hoheitsvoll zu und verließ gekränkt die Kammer. Sophia-Rose rang die Hände und sah Justin vorwurfsvoll an.
»Ich würde wünschen, dass du Recht hast, aber wenn du wirklich ...«
»Wenn Ihr zweifelt, dann geht ebenfalls!«, knurrte der Normanne mit einem Grimm, der auch in den scharfen Linien in seinen Mundwinkeln und in der starren Haltung seiner Schultern Ausdruck fand. »Glaubt Ihr, ich würde zulassen, dass ein Unfähiger sie berührt, der sonst die Kriegswunden des Herzogs flickt? Ich bin sicher, Lady Liliana und diese Frau dort können alles für sie tun, was nötig ist, wenn es so weit ist. Bis dahin überlasst sie mir!«
Ohne sich um Sophia-Rose zu kümmern, begann er erneut auf Roselynne einzureden. »Du wirst mir jetzt gehorchen, mein Herz! Du hast deinen Willen gehabt und jetzt bin ich dran. Gib unser Kind frei, damit es leben kann! Hörst du mich? Ich befehle es dir!«
»Gütiger Himmel, er ist noch sturer als sie«, hauchte die Baronin fassungslos, während sie mit anhörte, wie er vom Flehen zu herrischen Befehlen überging. »Meint er wirklich, dass sie in ihrer Qual auf ihn hören wird? Sie ist kaum noch richtig bei Sinnen!«
»Sieh!«
Lady Liliana griff nach Sophias Hand und deutete bebend auf die Schwangere. Roselynne hatte die Augen aufgeschlagen und starrte zum ersten Mal mit einem Hauch von Bewusstsein in das schroffe Antlitz mit der befremdlichen Narbe.
»Du ...«, wisperte sie kaum hörbar. »Ich wollte so stark sein, aber ich glaube, ich kann's nicht länger ...«
Roselynne wusste nicht, ob sie das alles nur träumte, aber es tat so gut, die Last, die sie die ganze Zeit empfunden hatte, in seine Hände zu legen.
»Schscht! Kümmer dich nicht. Ich bin stark genug für uns beide ...«, hörte sie ihn antworten und verlor schon fast wieder den kurzen Kontakt zur Wirklichkeit.
Allein, da war noch etwas, das sie ihm unbedingt sagen musste, ehe sie dem ruhigen, schönen Licht entgegen ging, das am Rande ihres Blickfeldes so verlockend schimmerte. Sie konnte ihn nicht verlassen, ohne es wenigstens einmal in Worte gefasst zu haben.
»Ich wollte dich noch einmal sehen ... bevor ich gehe ... Ich ... ich liebe dich so unendlich, mein Ritter! Es warst immer nur du, der mein Herz besessen hat. Seit jenem Frühling, als du nach Hawkstone kamst. Ich wollte nicht mehr leben, als du fortgingst ...«
»Ich werde nie wieder gehen, wenn du das möchtest.«
Roselynne erschauerte unter einer neuerlichen Welle des Schmerzes. Es war mehr, als sie ertragen konnte. »Jetzt ... bin ich es, die geht ... Justin ...«
»Du wirst nicht gehen, Roselynne d'Amonceux!«, antwortete Justin mit gepresster Stimme und küsste die trockenen, zitternden Lippen mit unendlicher Zärtlichkeit. »Du kannst mich nicht allein lassen. Ich tauge nichts ohne dich, ich brauche dich. Dich und unser Kind! Wer soll mich denn lehren zu lieben, wenn du nicht mehr da bist ... Bleib bei mir, sonst muss ich dir folgen!«
»Justin ...«
Sophia-Rose schluckte und wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. Es waren keine Worte, die für fremde Ohren bestimmt waren, und doch .... Es waren wunderschöne Worte, die auch tief in ihr etwas lösten, das seinetwegen noch immer bedrückt und bekümmert gewesen war. Ihre Lippen formten ein Gebet, und ihre Hände falteten sich, ohne dass es ihr bewusst wurde.
»Hilf, heilige Mutter! Hilf diesen beiden Menschen, die so viel gelitten haben!«
Ryan of Hythe kam zu sich, als sein aufgestützter Arm von der Platte des Tisches rutschte und er durch die Wucht der Gewichtsverlagerung fast von der Bank fiel. Im letzten Moment rappelte er sich auf und sah aus brennenden Augen um sich. Die Kerzen waren herabgebrannt. Hinter den Fensterquadraten glomm das erste Ahnen der Morgendämmerung, und gegenüber im großen geschnitzten Stuhl vor dem Kamin saß immer noch der Lord von Hawkstone und starrte reglos ins Nichts.
Die ganze Nacht hatte er so dagesessen, während der Medicus kam und ging, der Priester umsonst darauf wartete, vorgelassen zu werden, und die Mägde nach frischem Wasser, sauberen Tüchern und Kräuterölen liefen.
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