HERZ HINTER DORNEN
anderen Hand den Stoff aus der Astgabel befreien konnte. Ohne den erschrockenen Aufschrei und das heftige Zappeln zu beachten, ließ er seine pikante Beute in aufreizender Langsamkeit an seinem Körper zu Boden gleiten. So gemächlich, dass er sowohl die geschmeidige Anmut wie die verführerischen Rundungen der Kleinen in größter Seelenruhe erkunden konnte und sein eigenes Verlangen sich in gieriger Stärke bemerkbar machte.
»Was erlaubt Ihr Euch ...« Roselynne verstummte mitten im Satz.
Aber auch Loup de Luthais brachte nur ein heiseres: »Da soll doch gleich der Satan dreinfahren!« heraus.
Da hatte er sich Tag für Tag aufs Neue bemüht, der Dame aus dem Weg zu gehen, und nun pflückte er sie aus purer Dummheit mit eigenen Händen aus den Zweigen eines Apfelbaums. Wenn das nicht mit dem Teufel zuging? Außerhalb von Zeit und Raum begegneten sich ihre Augen und er vergaß weiterzudenken.
Von einer Fülle der verwirrendsten Gefühle durchrieselt, fand sich Roselynne auf gefährlich intime Weise gegen seine athletische Gestalt gepresst. Durch das dünne Hemd und das feine Untergewand drückten sich ihre Brüste gegen die minzegrüne Tunika, die er heute trug, und sie spürte, dass sich die Knospen verhärteten. Der Kontakt war so unschicklich eng und intensiv, dass sie auf ihrer Haut sogar die kunstvoll geschmiedeten Glieder der breiten Goldkette fühlte, die er über dem Wams trug.
Gleichzeitig stieg aus dem Innersten ihres Leibes eine Wärme auf, die sie förmlich dahinschmelzen ließ. Eine Hitze, die jeden vernünftigen Gedanken verbrannte und nur Fühlen übrig ließ. Sie atmete in schnellen Zügen, als wäre sie gerannt, und befeuchtete ihre trockenen Lippen nervös mit der Zungenspitze. Wie kam er in diesen Garten? Hatte er sie verfolgt? Welchen Zauber schickte er über sie, dass ihr Leib sich ihm so schamlos entgegenwölbte und mit dem seinen verschmolz?
In den gläsernen Tiefen seines klaren Blickes entdeckte sie den Widerhall der eigenen hilflosen Verwirrung. War es möglich, dass er ebenso wenig wusste, wie ihm geschah, wie sie es begreifen konnte? Das sonst so unschuldige Blau entzündete sich in jähem feurigem Funkeln. Die Luft zwischen ihnen veränderte sich, vibrierte in einer Spannung, die in der leisen Stimme widerhallte, die in ihr Bewusstsein drang.
»Wildfang!«, hörte sie ihn murmeln, und es klang gleichzeitig wie unterdrücktes Lachen und wie ein heiserer Fluch. »So etwas fällt also barfuß und mit hochgesteckten Röcken von den Apfelbäumen des Königs. Mal wieder mit wirren Haaren und ohne jede Spur von Benehmen und vornehmer Zurückhaltung. Was hast du eigentlich in Winchester zu suchen, wunderliches Mädchen vom Cuckmere? Du passt nicht unter die feinen Damen der hochnäsig langweiligen Prinzessin! Du solltest nach Hause gehen, ehe dir Böses geschieht.«
Geneckt zu werden hatte Roselynne von allem am wenigsten erwartet. Es entwaffnete sie, brachte sie noch mehr durcheinander, verletzte und erfreute sie zugleich. Sie wusste nicht mehr, was sie denken und sagen sollte. Am Ende behielt das ärgerliche Empfinden Oberhand, dass er sie nicht ernst nahm. Dass er sie für ein ungezogenes Kind hielt, das er einmal mehr davon schicken würde, weil es ihn nicht interessierte.
Sie ahnte nicht, wie sehr sie sich täuschte. Der normannische Seigneur war sich mit jeder Faser seines angespannten Körpers ihrer herausfordernden Weiblichkeit bewusst. Das eng anliegende Oberteil des Untergewandes spannte sich wie eine zweite Haut um die wohl geformten, verführerischen Brüste. Die silbern bestickte Borte um den halbrunden Ausschnitt gab den Ansatz zweier cremeweißer Wölbungen frei, die einen Heiligen in Versuchung geführt hätten. Eine glänzende Strähne schwarzen Haars fiel wie ein Rabenflügel darüber und betonte die Durchsichtigkeit der seidigen Haut. Fast schien es ihm, als könnte er den Strom des Blutes darunter erkennen, das Pochen ihres flatternden Herzens beobachten.
Er versuchte die verlockenden Einzelheiten zu ignorieren und konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf das ovale, fein gezeichnete Gemmengesicht mit den Veilchenaugen. Allein, der feuchte Schimmer ihrer bebenden Lippen und der tiefschwarze Fächer der langen, sanft gebogenen Wimpern waren mehr, als ein Mann ertragen konnte. Er vermochte nicht zu sagen, wann er jemals ein so unbeherrschtes Verlangen nach einer Frau empfunden hatte. Diesen primitiven, ausschließlichen und drängenden Wunsch, zu erobern, zu besitzen und
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