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HERZ HINTER DORNEN

HERZ HINTER DORNEN

Titel: HERZ HINTER DORNEN
Autoren: Unbekannter Autor
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aus dem Raum eilte, suchten seine Blicke die Äbtissin, die seit geraumer Zeit schwieg.
    »Das kann doch nicht das Ende sein«, murmelte er verzagt.
    »Nein.« Die Klosterfrau hob das Kinn und schüttelte seufzend den Kopf. »Ich hoffe, das ist es nicht. Vor allen Dingen, nachdem Ihr Euch freundlicherweise bereit erklärt habt, meinen Neffen nicht zu töten.«
    »Ich habe das geringste Recht, ihm zu schaden«, antwortete der Ritter schuldbewusst. »Ich habe ihm die Frau genommen, die er einmal zur Gemahlin auserkoren hat. Meine Hände sind durch eigenes Unrecht gebunden. Aber da ist noch der Lord of Hawkstone und nicht zuletzt Seine Majestät, der König. Beide sind auf ihre Art dieser jungen Frau eng verbunden, und beide werden nicht dulden, dass sich d'Amonceux seiner Pflicht entzieht, egal wie Roselynne selbst darüber denkt.«
    »In diesem Punkt sind wir alle einer Meinung«, antwortete die Äbtissin zur höchsten Verblüffung des Edelmannes. »Setzt Euch endlich, wir haben eine ganze Reihe von Dingen miteinander zu bereden, wenn wir diese Dickköpfe vereinen wollen.«
    Der Baron von Aylesbury beugte sich der unzweifelhaften Autorität der Dame, und was sie ihm danach auseinander setzte, ließ ihn breit und strahlend lächeln.

23. Kapitel
    Das Wams saß locker an der hoch gewachsenen Gestalt. Die Tage der Gefangenschaft und des Fiebers hatten Justin Hagerkeit und ungewohnte Kanten verliehen, wo zuvor Muskeln gewesen waren. Das silberblonde Haar energisch gekürzt und jedes Barthaar abrasiert, wirkte auch das Antlitz eckiger, härter und fremder, als es ihm je aus einem Spiegel entgegengeblickt hatte.
    Sicher trug auch die rötliche Narbe daran Schuld, die auch nach dem Heilungsprozess als scharfes Mal Schläfe und Wange zerschnitt. Es war ein neues Gesicht für einen neuen Mann, und Justin d'Amonceux begrüßte die Veränderung auf seltsame Weise. Er verkörperte nicht länger die makellosen Tugenden und herzlosen Werte, die ihm von Jugend an eingehämmert worden waren. Oberflächlicher Glanz, Macht und Einfluss hatten ihren Reiz für ihn verloren, seit er Wichtigeres entdeckt hatte.
    Die Fähigkeit, sich ehrlich in das eigene Gesicht zu blicken, beispielsweise. Den Mut, die Dinge anzuerkennen, die er fühlte, und die brennende Reue um all die sinnlos vertane Zeit, die verschwendeten Möglichkeiten und die herzlosen Fehler, die er begangen hatte, ohne sich um die Folgen zu kümmern. Er war nicht länger stolz auf sich selbst. Es gab nichts, worauf er hätte stolz sein können.
    Ryan of Hythe stand schon geraume Zeit in der Bogentür des kleinen Gemachs, ohne den Bewohner der vier Wände zu stören. Im Gegensatz zu ihm selbst hatte er sich noch nicht entschieden, wie er künftig Justin d'Amonceux begegnen sollte. Er zürnte ihm zwar heftig, aber gleichzeitig war da auch ein gerüttelt Maß an Mitgefühl und Verständnis. Es war alles andere als leicht, den verführerischen Töchtern des Lords von Hawkstone zu widerstehen.
    Im Grunde konnte er ihm nicht vorwerfen, was er getan hatte, aber er war ihm böse, dass er sich so feige vor den Konsequenzen seiner Tat drückte. Wie konnte er Roselynne einfach hinter Klostermauern abschieben und sie aus seinem Leben streichen? Auch wenn er von dem Kind nichts wusste, erschien sein Verhalten ihm ehrlos, herzlos und dumm.
    Aber war ein Mann ehrlos, der sein Leben für das Heilige Land opfern wollte? Herzlos, wenn er durch das halbe Königreich hinter einer entführten Edeldame herjagte, und dumm, wenn er den Weg der Vorsicht wählte und sie künftig mied?
    »Ich sehe, Ihr seid bereit«, gab er sich selbst einen Stoß und trat vollends in den Raum. »Dies ist das Dokument, das Euch die Freiheit und die Möglichkeit schenkt, mit ihr zu tun, was Euch in den Sinn kommt.«
    Der Graf von d'Amonceux starrte den Baron von Aylesbury an und ignorierte das zusammengerollte Pergament mit dem deutlich sichtbaren Siegel des Königs. Er kannte ihn mittlerweile gut genug, um hinter seinen Worten eine Menge Ungesagtes herauszuhören. Seine Freiheit war an Bedingungen geknüpft, daran hatte er nie gezweifelt.
    »Wollt Ihr es nicht lesen?«, erkundigte sich der Sachse, gereizt von so viel Schweigen.
    »Sagt mir, was ich tun muss, damit ich es hinter mich bringen kann«, forderte der Normanne, ohne mit der Wimper zu zucken.
    »Es wird Euch nicht gefallen«, warnte der Baron bedächtig.
    »Das ist mir klar, seit Ihr aus Montivilliers zurück seid«, nickte seine Geisel. »Es hat Euch nicht
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