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HERZ HINTER DORNEN

HERZ HINTER DORNEN

Titel: HERZ HINTER DORNEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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ihren Mund und rief eine Fülle von Erinnerungen an Hawkstone in ihr wach.
    Sicher waren ihre Schwestern mit Grytha und den Mägden zu Hause dabei, die Ernte einzubringen. Im Keller würden die Mostfässer nach und nach gefüllt werden und die Köchin würde wahre Wunderwerke von duftenden Aufläufen und feinen Törtchen zaubern. Wie hatte sie das Leben dort jemals eintönig und unerträglich finden können?
    Weil ihr Herz mit Justin d'Amonceux davon geritten und sie davon überzeugt war, dass er niemals wieder an das Ufer des Cuckmere zurückkehren würde? Wie fern und kindisch diese Träume plötzlich wirkten. Romantische Erinnerungen, vom realen Bild eines Mannes überlagert, der dem Ritter ihrer Träume vielleicht ein wenig glich, aber doch eine völlig andere Person war. Sie konnte das Gefühl, das sie in seine Nähe zog, nicht benennen. Der Wunsch, von ihm beachtet und bewundert zu werden, kämpfte mit dem Bewusstsein, dass sie ihn meiden sollte, wenn sie nicht auch von ihm verletzt werden wollte.
    Eine Schar zeternder Amseln stob in diesem Augenblick aus der Krone des nächsten Baumes, und Roselynne entdeckte neben ihnen die Misteln, die sie gesucht hatte. Ziemlich hoch oben in den Zweigen, von der Erde aus kaum zu erreichen. Schon gar nicht für ein Mädchen ihrer zierlichen Größe.
    Sie sah sich auf der Suche nach einer Leiter um, aber ausgerechnet heute schien der Garten wie leer gefegt. Keine Magd beim Apfelernten, kein Knecht, der die vollen Körbe in den Vorratskeller trug. Sie würde klettern müssen, denn sie verspürte keine Lust, wieder zurückzugehen und einen der Dienstboten um Hilfe zu bitten.
    Mit einem flüchtigen Stirnrunzeln prüfte sie ihr Gewand. Zuviel empfindliches Gewebe für einen Ausflug in die knorrigen Zweige eines alten Apfelbaumes. Sorgsam löste sie die seitlichen Schlaufen der feinen Tunika mit der zart bestickten Saumborte, die sie über einem helleren Untergewand trug, und schlüpfte aus dem Kleidungsstück. Auch den eleganten Schleier und den schlichten goldenen Reif, der ihn auf ihrem Scheitel hielt, legte sie auf das Kleiderbündel. Strümpfe und Schuhe folgten.
    Jetzt musste sie nur noch die Säume des Unterkleides in den Kordelgürtel um die Taille stecken, dann hatte sie genügend Bewegungsfreiheit, um mit bloßen Beinen den ersten Ast zu erreichen. Keine Schwierigkeit für ein Mädchen, das am Ufer des Cuckmere auf gewachsen war und zusammen mit seinen Geschwistern auf mehr als einen Baum geklettert war, um seine Früchte zu kosten.
    Wenig später segelten die kugeligen Nester der Misteln in weitem Bogen durch die Äste, gefolgt von gelben Blättern und überreifen Äpfeln, die mit einem dumpfen Klatschen im Gras landeten, auseinander brachen und ganze Heerscharen von Bienen und Wespen anlockten. Es war dieses hektische Gesumme und Geraschel, das die Aufmerksamkeit des Mannes erregte, der tief in Gedanken versunken umherschlenderte.
    Erst auf den zweiten Blick entdeckte er das Häufchen Stoff, die schmalen, fein gearbeiteten Ziegenlederschuhe und die weißen Strümpfe. Sie verrieten, dass ihre Trägerin jung, wohlhabend und unbesonnener war, als ihr gut tat. Das Nächste, was ihm ins Auge fiel, waren ein Paar schlanker Füße, zierliche Fesseln und vollendet geformte Beine, die, bis auf Höhe der Knie entblößt, in akrobatischem Geschick von Ast zu Ast aus dem Gewirr der Früchte und Blätter tauchten. Straffe, knabenhafte Waden, die fast einem Pagen gehören konnten, wäre da nicht die Wolke eines blassblauen, achtlos hoch gestopften Untergewandes gewesen, das sich eben in einem hervorstehenden Zweig verfing und seine Trägerin mit dem Oberkörper und erregend entblößten Schenkeln im Apfelbaum festhielt.
    Ein bezaubernder Anblick, der einem Mann das Blut in gewisse Körperteile trieb und ihn auf die Idee brachte, seine Anspannung und Nervosität, die ihn um seine Ruhe brachte, auf höchst angenehme Weise zu lindern. Junge Damen, die mit so viel Unverfrorenheit in Bäumen herum kletterten, waren vermutlich einem kleinen Abenteuer nicht abgeneigt, und er hatte schon viel zu lange auf weibliche Gesellschaft verzichtet.
    »Zum Donnerwetter noch mal«, schimpfte eine helle Stimme jetzt auch noch ungeniert, und die verlockenden Beine zappelten im vergeblichen Versuch, sich aus dieser Falle zu befreien.
    Handeln und zupacken war eines für ihn. Seine Körpergröße erlaubte es ihm, sich so weit zu recken, dass er den weiblichen Kobold um die Taille zu fassen und mit der

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