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HERZ HINTER DORNEN

HERZ HINTER DORNEN

Titel: HERZ HINTER DORNEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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verschaffen. Sogar bei einem älteren Bruder, mit dessen Zorn nicht zu spaßen war.
    »Es handelt sich um Roselynne de Cambremer, mein König«, entgegnete sie ruhig. »Sie ging gestern Abend vom Fest in ihre Gemächer, aber von diesem Zeitpunkt an hat keine Menschenseele mehr eine Spur von der Dame gesehen.«
    »Verzeiht, königliche Hoheit. Sie war in der ersten Morgenandacht«, mischte sich eine leise Stimme ein, und ein Mönch, die Hände in den Ärmeln seiner Kutte vergraben, trat vor. »Ich habe sie gesehen. Im Gebet versunken und ohne einen Blick für ihre Umwelt. Eine wahrhaft fromme, gottesfürchtige Dame! Es schien mir, als hätte sie einiges mit unserem göttlichen Herrn zu besprechen.«
    Die Prinzessin dachte an das herausfordernde Gewand, mit dem diese gottesfürchtige Dame am Abend zuvor unter den Edelmännern für Aufsehen gesorgt hatte, und presste die schmalen Lippen aufeinander. Gebet und Reue, auch das passte wenig zu Roselynne.
    Wüsste sie es nicht besser, so hätte sie gewettet, dass Roselynne de Cambremer sich nach diesem allzu freizügigen Auftritt in den Armen eines Mannes wieder gefunden hatte. Indes, sie war kein leichtsinniges, einfältiges Edelfräulein auf der Suche nach einem wohlhabenden Ehemann. Mathilda konnte sich in den Jahren, die das Mädchen zu ihrem Haushalt gehörte, nicht an ein einziges, vergleichbar skandalöses Kleid erinnern. Auch an kein Ärgernis, keine Unpünktlichkeit und keine Unbesonnenheit.
    Roselynne mochte manchmal eigensinnig wirken, aber sie war auch pflichtbewusst, liebenswürdig, sanft und von verlässlichem Charakter. Sie verschwand nicht ohne jede Nachricht und besorgte die Menschen, die ihr zugetan waren. Das passte einfach nicht zu ihr.
    Auch der König, der dem Lord von Hawkstone und seinen Kindern aufrichtig zugetan war, kam zu dieser Erkenntnis. Wenn Roselynne de Cambremer nirgends zu finden war, dann war dies in der Tat Anlass zur Sorge. »Hast du überall nach ihr geforscht?«
    Die Prinzessin nickte. »Natürlich. Ohne diese Sicherheit hätte ich es nie gewagt, meinen König zu stören. Sie ist nicht in dieser Burg. Ihre Kammerfrau sagt, dass nur ein Umhang und ein einfaches Gewand fehlen. Schmuck und persönliche Habe sind unangetastet, auch ihr Pferd steht in den Ställen.«
    »Kann sie in der Stadt sein? Eine unverhoffte Botschaft? Ein heimlicher Freundschaftsdienst?« Der König brach ab, als seine Schwester verneinend den schleierbedeckten Kopf schüttelte.
    »Was bleibt?«, fragte er knapp und ließ seine Blicke über die Gruppe der Männer schweifen, die sich mit gesenkten Waffen um ihn versammelt hatten und je nach Temperament Anteil nehmend oder gleichgültig wirkten.
    »Was haltet Ihr von einem Manne?«, warf eine kühle, freundlich distanzierte Stimme ein.
    Alle Augen blickten zu Loup de Luthais, der sogar auf dem Kampfplatz mit Samt und Juwelen prunkte und seinen Anteil am Training der Ritter heute auf beißende Kommentare beschränkte. Nicht, weil er den Wind und den Regen fürchtete, sondern den eigenen, mühsam unterdrückten Zorn auf sich selbst. Wenn er heute eine Waffe in die Hand nähme, könnte er für nichts garantieren.
    Der König lachte dröhnend. Er hatte Gefallen an den sarkastischen Bemerkungen des normannischen Gastes gefunden, die auf höchst subtile Weise zwischen Spott und Gleichgültigkeit schwebten. Er war ein Mann nach seinem Geschmack. Ungerührt, makellos, elegant, schön wie die gefährlich geschliffene Klinge eines morgenländischen Dolches. Ein Mann der feineren Waffen und nicht des schweren Breitschwertes, auch wenn er jenes mit erstaunlichem Geschick zu handhaben verstand. Von Frauen wie der Demoiselle de Cambremer schien er indes weniger zu verstehen.
    »Ein Mann«, wiederholte Rufus und schüttelte seinerseits den Kopf. »Höchst unwahrscheinlich. Roselynne de Cambremer hat nicht einen der Ritter erhört, die bei ihrem Vater um ihre Hand geworben haben. Zweifellos ist sie anmutig, aber dank nachsichtiger Eltern ein wenig zu eigensinnig und nicht darauf angewiesen, einen Gemahl zu finden, der für sie sorgt.«
    Der Seigneur de Luthais hatte dem König gegenüber die Miene eines Mannes aufgesetzt, der, von keiner persönlichen Sorge getrübt, dem Problem nur am Rande seine Aufmerksamkeit zollte. Dass er in Wirklichkeit die Dinge, die er über Roselynne erfuhr, förmlich in sich aufsog, blieb sein Geheimnis.
    Wo, bei allen Heiligen, steckte das Mädchen? Stand ihr Verschwinden tatsächlich mit den Ereignissen

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