Wer Ja sagt, muss sich wirklich trauen
Kapitel 1
Lucy bekam keine Luft. Das Mieder ihres Brautkleids, das ihr noch in der vergangenen Woche wie angegossen gepasst hatte, quetschte nun ihre Rippen zusammen, als wäre es eine Boa Constrictor. Was, wenn sie erstickte, direkt hier in der Vorhalle der Presbyterian Church von Wynette?
Draußen hinter der Absperrung stand eine internationale Armee von Reportern, der Altarraum in der Kirche war zum Bersten gefüllt mit den Reichen und Berühmten. Nur wenige Schritte entfernt warteten die ehemalige Präsidentin der Vereinigten Staaten und ihr Mann darauf, Lucy zum Altar zu führen, damit sie den perfektesten Mann der Welt heiraten konnte. Den Traummann jeder Frau. Den liebenswürdigsten, rücksichtsvollsten, klügsten … Welche Frau, die ihren Verstand beisammenhatte, würde Ted Beaudine nicht heiraten wollen? Er hatte Lucy von dem Moment an verzaubert, in dem sie sich kennenlernten.
Die Trompeten schmetterten los und verkündeten den Beginn der Prozession der Braut, während Lucy versuchte, ein paar Luftmoleküle in ihre Lunge zu bekommen. Sie hätte sich kein schöneres Wetter für ihre Hochzeit aussuchen können. Es war die letzte Maiwoche. Die Wildblumen des Frühlings im Texas Hill Country mochten bereits verblasst sein, aber die Kreppmyrte stand in Blüte, und draußen vor dem Kirchenportal trieben die Rosen aus. Ein wunderschöner Tag.
Ihre dreizehnjährige Schwester Holly, die jüngste der vier Brautjungfern ihrer altmodisch kleinen Brautgesellschaft, setzte sich in Bewegung. Nach ihr würde die fünfzehnjährige Charlotte losgehen und dann Meg Koranda, Lucys beste Freundin seit dem College. Lucys Trauzeugin war ihre Schwester Tracy, eine achtzehnjährige Schönheit, die so sehr in Lucys Bräutigam verschossen war, dass sie immer noch rot wurde, wenn er sie ansprach.
Lucys Schleier, erstickende Schichten aus weißem Tüll, wehte ihr ins Gesicht. Sie dachte daran, was für ein unglaublicher Liebhaber Ted war, wie großartig, wie liebenswürdig, wie außergewöhnlich. Wie perfekt für sie. Das sagte jeder.
Jeder außer ihrer besten Freundin Meg.
Am Abend zuvor, nach dem Probedinner, hatte Meg sie in die Arme geschlossen und ihr ins Ohr geflüstert: Er ist wundervoll, Luce. Genau, wie du gesagt hast. Und du kannst ihn unmöglich heiraten.
Ich weiß, hatte sie sich selbst zurückflüstern hören. Aber ich werde es trotzdem tun. Es ist zu spät, um noch einen Rückzieher zu machen.
Meg hatte sie kräftig geschüttelt. Es ist nicht zu spät, hatte sie gesagt. Ich werde dir helfen. Ich werde tun, was in meiner Macht steht.
Meg hatte leicht reden. Sie lebte im Gegensatz zu Lucy ein völlig undiszipliniertes Leben. Lucy trug Verantwortung, was Meg nicht nachvollziehen konnte. Schon bevor Lucys Mutter den Amtseid geschworen hatte, war das Land von den Joriks fasziniert gewesen – drei adoptierte Kinder, zwei leibliche. Ihre Eltern hatten die Jüngeren vor der Presse abgeschirmt, aber Lucy war bei Nealys Amtseinführung schon zweiundzwanzig gewesen, was sie unwillkürlich zum Freiwild machte. Die Öffentlichkeit hatte Lucys Hingabe für ihre Familie verfolgt – ihre Bereitschaft, den Geschwistern während Nealys und Mats häufiger Abwesenheit als Ersatzmutter zu dienen, ebenso wie ihre gemeinnützige Arbeit für Kinderrechte, ihren Verzicht auf Dates, sogar ihren weniger als aufregenden Modestil. Und sie würde definitiv diese Hochzeit verfolgen.
Lucy hatte geplant, auf halbem Weg durch die Kirche zu ihren Eltern zu stoßen. Nealy und Mat würden sie zum Altar geleiten, als Symbol dafür, wie sie sie, seit Lucy als rebellischer vierzehnjähriger Teufelsbraten in ihr Leben getreten war, bis zum heutigen Tag begleitet hatten.
Charlotte trat hinaus auf den weißen Läufer. Sie war die Schüchternste von Lucys Geschwistern, diejenige, der es am meisten zu schaffen machte, dass sie ihre älteste Schwester nicht mehr um sich haben würde. Wir können jeden Tag telefonieren, hatte Lucy ihr erklärt. Aber Charlotte war daran gewöhnt, mit Lucy unter einem Dach zu leben, und sie hatte erwidert, das sei nicht dasselbe.
Es war Zeit für Meg loszuschreiten. Sie warf einen Blick über ihre Schulter zu Lucy, und selbst durch Lagen von Tüll sah Lucy die Besorgnis, die an Megs Lächeln zerrte. Lucy wünschte sich sehnsüchtig, mit ihr den Platz zu tauschen, Megs sorgenfreies Leben führen zu können, anstatt mit den Geschwistern von Land zu Land zu reisen, darauf zu achten, den guten Familienruf zu wahren, ständig
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