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HERZ HINTER DORNEN

HERZ HINTER DORNEN

Titel: HERZ HINTER DORNEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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vermutete er.
    Roselynne wechselte die Farbe von bleich zu rot überhaucht. Welch ein Gedanke! Nach Hawkstone wollte sie noch viel weniger! Der Himmel mochte sie vor den Fragen ihrer Eltern bewahren. Vor einem Vater, der tobte und Erklärungen forderte, vor einer Mutter, die mehr sah, als einem lieb sein konnte. Beides wäre noch schlimmer als die missgünstigsten Ladys der Prinzessin oder ein unerwünschter Gatte.
    Justin d'Amonceux verstand sie dieses Mal ohne Worte. Er hatte sowohl ihre kluge Mutter als auch ihren stolzen Vater kennen gelernt. Beide standen nach außen hin blind auf der Seite ihrer Kinder, aber sie würden nicht ruhen, bis sie alles wussten. Das bedeutete für ihn, dass auch er von neuem das Fegefeuer ihres berechtigten Misstrauens durchschreiten musste. »Was schlagt Ihr also vor, Mylady?«, erkundigte er sich mit hörbarer Gereiztheit.
    »Bringt mich in die Normandie.«
    Dieses Mal entfloh sogar dem ungerührten Jacques Boscot, der die Pferde am Zügel hielt und so tat, als hörte und sähe er nichts, ein erstaunter Laut. Jetzt war es sein Herr und Freund, dessen Stirn sich rötete.
    »Seid Ihr närrisch? Was wollt Ihr in der Normandie? Rechnet nur nicht darauf, dass ich mich zu Eurem Beschützer ernenne. Unsere Wege trennen sich, sobald ich Euch in Sicherheit weiß.«
    Er sprach nur aus, was Roselynne längst wusste. Was immer er irgendwann für sie empfunden hatte, es war verflogen, als er sie in den Armen des Schotten gesehen hatte. Für ihn war sie nicht mehr als beschmutzte Ware. Etwas Lästiges, das er wieder loswerden wollte. Und ihr Stolz ließ nicht zu, dass sie sich bemühte, diese Meinung zu korrigieren, und schon gar nicht wollte sie, dass er ihr Geheimnis erfuhr und deswegen zu Entscheidungen gezwungen wurde, die ihm zutiefst widerstrebten.
    »Es drängt mich nicht mehr an Eure Seite als Euch an die meine«, antwortete sie in einer Mischung aus Herablassung und Resignation. »Aber Ihr irrt Euch, Seigneur, wenn Ihr meint, dass Eure Schuld bezahlt ist. Ich entlasse Euch erst aus dieser Verpflichtung, wenn auch ich der Meinung bin, dass meine Sicherheit gewährleistet ist.«
    »Und wo soll das sein?«, fragte er, wider Willen von der Hartnäckigkeit beeindruckt, mit der sie versuchte, ihm ihren Willen aufzuzwingen.
    »Nehmt mich mit Euch in die Normandie«, wiederholte sie noch einmal. »Dort werde ich Schutz in einem Kloster suchen.«
    »In einem Kloster?« Der entsetzte Ausruf verriet alles darüber, wie wenig Justin d'Amonceux daran glaubte, dass ein so lebendiges und leidenschaftliches Mädchen hinter Klostermauern gut aufgehoben wäre.
    »Was ist so seltsam daran?« Roselynne runzelte gekränkt die Stirn. »Ich wollte mich schon einmal hinter Klostermauern zurückziehen, aber meine Eltern unterbanden es. Sie meinten damals, ich sei zu jung für einen solchen Entschluss. Inzwischen werden sie meine Entscheidung jedoch respektieren müssen.«
    Sie verriet nicht, dass er auch damals der Grund für diesen Wunsch gewesen war. Sie hatte schon vor vielen Jahren gewusst, dass es nur diesen einen Mann für sie gäbe. Dass es keinen Sinn hatte, ihr Herz mit Gewalt auf andere Wege zu zwingen.
    »Ihr solltet auch heute auf Eure Eltern hören«, riet er ihr trocken.
    »Das überlasst mir«, entgegnete sie knapp. Sie hatte lange genug darüber nachgedacht, und inzwischen war sie davon überzeugt, dass es der einzig ehrenhafte Ausweg für sie sein würde. Sie hatte genügend Getuschel über Ladys vernommen, die vom Pfade der Tugend abgekommen waren und diese Sünde hinter Klostermauern verbargen. Und es gab mehr als ein Kind, das in der Sicherheit eines Klosters zur Welt kam und unter dessen Schutz in Ehren aufwuchs, egal welcher Art sein Geschlecht war.
    »Als Nächstes wollt Ihr mir vermutlich sagen, dass ich die Mitgift für diese Eure Grille auch noch aus meinem eigenen Vermögen bestreiten soll«, vermutete der Ritter immer noch verblüfft.
    »Ihr seid reich wie König Midas«, nickte Roselynne bestätigend. »Zumindest hat unsere Mutter das damals behauptet, als Ihr kamt, um meine Schwester zu freien. Es kann Eurem Seelenheil nur förderlich sein, wenn Ihr einen kleinen Teil davon einem Kloster spendet.«
    »Das habt Ihr Euch ja fein ausgedacht.«
    Justin d'Amonceux versuchte vergeblich, in dem feinen, marmorblassen Antlitz zu lesen. Aber er entdeckte nicht den kleinsten Hinweis auf ihre Gefühle. Sie wirkte seltsam abwesend, und ihre durchsichtige Haut spannte unter den Augen über den

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