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HERZ HINTER DORNEN

HERZ HINTER DORNEN

Titel: HERZ HINTER DORNEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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ihr wuchs. Ein ständig gefährdetes Leben, denn es fiel ihr nach wie vor schwer, Nahrung bei sich zu behalten. Nachts fand sie nur wenig Schlaf, denn das kleine Geschöpf begann sich zu bewegen und herrisch ihre Aufmerksamkeit zu fordern, sobald sie sich Ruhe gönnen wollte.
    Die Äbtissin verengte die durchdringenden Augen bei dieser Geste. Es hatte keiner großen Fantasie und schon gar keiner Überredungskunst bedurft zu erfahren, wer der Vater dieses Kindes war. Doch seit sie es wusste, scheiterte ihre bemerkenswerte Willenskraft an dem noch eigensinnigeren Kopf der jungen Frau, die das Kind austrug. Was immer zwischen ihrem Neffen und Roselynne de Cambremer vorgefallen war, die Lady hatte mit ihm und der Welt abgeschlossen. Sie verweigerte sich jeder Erklärung, jedem Gespräch und jeder Lösung des Problems.
    »Es wird ein Mädchen«, hatte sie der verblüfften Klosterfrau um die Weihnachtszeit herum mitgeteilt. »Wenn Ihr erlaubt, wird es mit den anderen Kindern zusammen hier aufwachsen und später seine eigene Entscheidung treffen, ob es in diesen Mauern bleiben will oder nicht.«
    Roselynne hatte zu ihrer unsäglichen Erleichterung entdeckt, dass die Nonnen von Montivilliers eine Reihe von Waisen- und Findelkindern versorgten, die in den Mauern des Klosters Heimat, Obdach und Erziehung erhielten. Mutter Laurentine hatte sich auch als eine Frau entpuppt, die sich Vorwürfe zu Dingen sparte, die schon geschehen waren und nicht mehr geändert werden konnten.
    »Und wenn es sein Sohn ist?«
    Nicht nur einmal hatte Laurentine du Gard die ganze Macht ihrer Persönlichkeit aufgeboten, um dieses störrische Mädchen zur Vernunft bringen zu wollen. Es war schließlich durchaus möglich, dass sie den Erben der d'Amonceux' in ihrem Schoße trug. Zudem hatte die Äbtissin in Erfahrung gebracht, dass ihr Sohn keine Gemahlin besaß und dass - abgesehen von einem bedauernswerten Hang zur Dickköpfigkeit - Roselynne de Cambremer durchaus eine passende Partie für den Herrn von d'Amonceux gewesen wäre.
    »Ich weiß, dass es ein Mädchen ist«, hatte Roselynne widersprochen, ohne darauf einzugehen, woher sie diese absolute Sicherheit nahm. Sie wollte die fromme Dame nicht mit der Tatsache beunruhigen, dass die Töchter des Rosenturms über Fähigkeiten verfügten, welche die Kirche möglicherweise als Teufelszeug verurteilt hätte.
    »Dem Kind geht es gut«, antwortete sie auch jetzt mit einer Überzeugung, welche die Äbtissin ebenso ärgerlich wie unsicher machte.
    Es geht ihm sogar besser als mir, fügte Roselynne im Stillen hinzu, als der Winzling mit einem energischen Stoß gegen ihre Handfläche auf sich aufmerksam machte. Sie selbst kämpfte seit Tagen mit einer tief sitzenden Unruhe, für die es keinen Grund gab, die sie aber so gereizt machte, als kribbelten zahllose Ameisen unter ihrer Haut.
    »Nun denn«, seufzte die Klosterfrau und mied die Auseinandersetzung mit ihrem seltsamen Gast, der im Augenblick das Novizengewand trug, aber in Anbetracht seiner fortschreitenden Schwangerschaft noch nicht sein Gelübde abgelegt hatte. »Wenigstens eine Seele, der es gut geht in diesen schwierigen Zeiten. Wir haben Krieg im Land. Bruderkrieg!«
    Roselynnes gesenkter Kopf fuhr hoch. Es gab nur eine Erklärung für diese Worte. »Rufus?«
    »Er ist mit seinen Kriegern in Barfleur gelandet und hat Herzog Robert damit völlig überrascht. Er hat den Frühjahrsstürmen getrotzt und den unvorbereiteten Herzog vor Rouen zur Schlacht gezwungen. Man sagt, es habe mit einem Desaster für Anjou geendet, obwohl seine Ritter tapfer gekämpft haben.«
    »Rufus hätte auch gesiegt, wenn Herzog Robert gewarnt gewesen wäre«, wisperte Roselynne erschrocken. »Der König von England war schon immer der überlegenere Krieger.«
    Die Äbtissin ließ die Holzperlen des Rosenkranzes, den sie an ihrer Taille trug, leise klickend durch die Finger gleiten. Sie wartete auf eine Frage Roselynnes, aber sie kam nicht. Die junge Frau schwieg, auch wenn in ihren Augen Angst und Sorge miteinander kämpften.
    »Ihr kennt den König - im Gegensatz zu mir«, sagte die Klosterfrau nach kurzem Schweigen vorsichtig. »Was ist er für ein Sieger? Rächt er sich an seinem Bruder und dessen Untertanen? Wird er seine Gefangenen gegen Lösegeld frei lassen oder sie wegen Hochverrat kurzerhand hinrichten?«
    »Er neigt zum Jähzorn, aber nicht zur Unvernunft«, antwortete Roselynne zögernd. »Aber ich nehme an, er steht unter Zeitdruck. Den Schotten kann er nicht

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