Herz in Gefahr
nicht?”
“Ich erinnere mich sehr wohl.” Er legte keine besondere Betonung auf seine Worte, aber Judith begriff, was er sagen wollte. Die Wunde war zu tief gegangen. Er würde ihr keine Gelegenheit geben, ihm etwas zu erklären, und vielleicht war es auch besser, es gar nicht erst zu versuchen. Sie mussten jeder seiner Wege gehen, wenn auch der Gedanke an ihre Zukunft Judith mit Verzweiflung erfüllte.
Später konnte sie sich nicht erinnern, wie sie den Salon verlassen hatte und in ihre Kutsche gestiegen war. In ihrem Kopf drehte sich alles, und sie brachte es nur mit größter Anstrengung fertig, sich zu verabschieden, ohne sich ihre Verwirrung anmerken zu lassen.
Als die Tür sich hinter ihr schloss, sah Peregrine seine Frau an.
“Nun, meine Liebe, solltest du uns nicht besser alles sagen? Ich kenne doch diesen Ausdruck. Etwas ist geschehen, das dich bekümmert.”
“Judith wird heiraten”, sagte Elizabeth bedrückt.
Sebastian lächelte. “Aber das ist doch sicher eher ein Grund zur Freude, oder?”
“Nein!”, rief Elizabeth. “Oh Perry, du wirst es nicht glauben! Sie wird diesen fürchterlichen Reverend Truscott heiraten!”
“Mein Liebling, ich hoffe, du hast ihr deine Ansicht nicht mitgeteilt. Es ist ihre Entscheidung, und somit kaum deine Angelegenheit.”
“Es ist sehr wohl meine Angelegenheit. Judith ist meine Freundin. Ich kann es nicht ertragen, mit anzusehen, wie sie sich an diesen … diese Schlange wegwirft!”
“Das sind harte Worte, Elizabeth.” Sebastians Lächeln verschwand. “Der Mann ist ein Geistlicher, noch dazu wohl bekannt. Warum hast du so eine Abneigung gegen ihn?”
Elizabeth warf ihrem Mann einen Blick zu und wusste, dass Vorsicht geboten war. Peregrine geriet ebenso leicht außer sich wie sie selbst. Elizabeth durfte die lüsternen Blicke nicht erwähnen, mit denen der Priester sie maß, wenn er sie begrüßte, und ebenso wenig das zweifelhafte Angebot, ihr seinen Beistand zu geben, wenn sie beide allein waren, oder die Tatsache, dass Reverend Truscott ihre Hand jedes Mal länger hielt, als es der Anstand erlaubte.
“Ich weiß auch nicht”, sagte sie. “Ich traue ihm nicht. Er hat etwas Zwielichtiges.”
“Es muss deine Einbildung sein, Liebste.” Peregrine nahm Elizabeths Hand. “Ich nehme an, du möchtest deine Freundin an niemanden verlieren.”
Sebastian sah Prudence an. “Du bist so still, mein Liebling. Hast du keine Meinung zu diesem Thema?”
“Judiths Ankündigung war ein ziemlicher Schock für uns”, sagte sie leichthin. “Wir wussten nicht, dass Truscott Judith im Auge gehabt hatte, oder Judith ihn. Er hatte nicht die geringsten Anzeichen einer Zuneigung zu ihr zu erkennen gegeben.”
“Bis sie eine Erbin wurde”, warf Elizabeth grimmig ein. “Kann es einen Zweifel geben, warum er um sie angehalten hat?”
“Mein Liebling, das ist nicht fair”, protestierte Peregrine. “Wir alle lieben Judith wegen ihrer ganz besonderen Eigenschaften. Ich verstehe nicht, wieso sie nicht schon längst geheiratet hat.”
An diesem Punkt entschuldigte Dan sich, indem er von einer Verabredung sprach, die er ganz vergessen hatte. Er war so blass geworden, dass seine Sommersprossen sich deutlich von seiner hellen Haut abhoben, und ein seltsam verlorener Ausdruck lag in seinen Augen.
“Alle sind heute so komisch”, beschwerte sich Elizabeth. “Dan kennt Judith doch. Ich hätte gedacht, dass er mehr über den Mann erfahren wollte, den sie heiraten wird. Oh, Prudence, jetzt, da er wieder da ist, meinst du, dass sie ihre Absicht ändern wird?”
“Das bezweifle ich. Sie schien mir sehr entschlossen zu sein.”
“Ich gehe jede Wette ein, dass ihre fürchterliche Stiefmutter hinter alldem steckt. Diese Frau hätte bei der Geburt ertränkt werden sollen!”
Prudence musste ihr insgeheim zustimmen. Sie wusste, dass es Mrs Avetons heftiger Widerstand gegen Dans Werbung gewesen war, der den beiden Verliebten damals so viel Unglück gebracht hatte. Dan war in ihren Augen nichts als ein junger Habenichts gewesen, der einem schmutzigen Slum im industriellen Norden Englands entstammte. Und ihre giftige Zunge hatte ihr böses Werk getan. Dan war daraufhin von vielen Angehörigen des
ton
geschnitten worden. Viele sogenannte Freunde wiesen ihm kühl die Tür, und Prudence hatte verblüfft erkennen müssen, dass er in den Einladungen, die sie täglich erreichten, nicht mehr eingeschlossen wurde.
Sie hatte den Grund dafür herausgefunden und daraufhin Mrs
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