Herzen in süßer Gefahr (German Edition)
richtig begriffen hatte, dass der Schlüssel im Schloss herumgedreht worden war.
Er sah müde aus, sein Uniformrock war verstaubt und sein Gesicht schmutzig. Seine Miene verriet nichts von seinen Gefühlen. Voller Bangigkeit überlegte Josette, was er inzwischen getan haben mochte. Wie viel Zeit war seit dem letzten Verhör vergangen? Minuten, Stunden? Sie wusste es nicht.
Bedächtig stellte Dammartin die Laterne auf einer der zahlreichen Kisten in dem Kellerraum ab und blieb vor Josette stehen. Ihr fiel auf, wie sehr seine Haltung sich verändert hatte. Entschlossen und finster blickte er sie aus seinen dunklen Augen an. Josette musste an die vielen Geschichten über grausame Verhöre und Foltern denken, und eisige Angst stieg in ihr auf. Die Geschichten sprachen von tapferen, ehrenvollen Männern, die die schlimmsten Schmerzen hinnahmen, um ihrem Feind kein Geheimnis zu verraten. Josette verzagte, denn sie wusste, dass sie nicht einmal einen Bruchteil dieser Tapferkeit besaß. Schon der Gedanke an das, was Dammartin ihr antun konnte, trieb ihr den Angstschweiß auf die Stirn. Sie schluckte schwer und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.
Dammartin zog eine Kiste heran und setzte sich, nachdem er den langen Säbel an seiner Seite zurechtgerückt hatte.
Mit angehaltenem Atem sah Josette ihm dabei zu.
„Möchten Sie mir von den Pferden erzählen, Mademoiselle Mallington?“
„Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß.“ Ihr Blick war auf den Boden vor ihren Füßen gerichtet.
„Nein, Mademoiselle, davon gaben Sie nur sehr wenig preis.“ Und nach einer winzigen Pause: „Ihr Vater schickte zwei Männer zu General Wellington, um ihn vor unserem Anmarsch zu warnen.“
Josette erstarrte. Das konnte er nicht wissen. Es war einfach unmöglich. Es sei denn … Sie verharrte regungslos in derselben Haltung, damit er die Furcht in ihren Augen nicht sah.
„Haben Sie nichts dazu zu sagen, Mademoiselle? Wollen Sie nichts fragen?“
Die Vorstellung, die Franzosen könnten Hartmann und Meyer gefangen genommen haben, verursachte ihr Schwindel. Mühsam zwang sie sich, Luft zu holen, und hob den Kopf, um dem Capitaine in die Augen zu sehen.
„Nein“, sagte sie mit leicht zitternder Stimme. „Nichts.“
Sekundenlang war nur ihr beider Atmen in dem feuchten Keller zu hören. Die Spannung wuchs und wurde unerträglich.
„Es hat keinen Zweck zu leugnen. Ich kenne die Wahrheit. Machen Sie es uns beiden etwas leichter, Mademoiselle.“
Sein Blick hielt sie unerbittlich fest. Die Entschlossenheit des Mannes war fast überwältigend. Es schien ihr, als habe sich ein schweres Gewicht auf ihre Brust gesenkt, sodass sie kaum in der Lage war weiterzuatmen. Ihre Hände begannen zu zittern, und sie presste sie zusammen, damit Dammartin nichts davon merkte.
„Warum sollte ich?“, brachte sie hervor.
„Und wenn ich Ihnen sage, dass wir Ihre Kuriere ergriffen haben?“
Sie erhob sich abrupt. Alles begann sich um sie zu drehen. „Sie lügen!“, flüsterte sie heiser.
Dammartin stand ebenfalls auf. Er lächelte so grimmig, dass ihr ein Schauder über den Rücken lief. „Meinen Sie?“
Momente verstrichen, die Josette wie eine Ewigkeit erschienen.
„Wenn Sie über die Kuriere mehr erfahren möchten, Mademoiselle, werden Sie mir verraten müssen, was Ihr Vater und seine Männer in diesen Bergen zu suchen hatten.“
Sie konnte nicht sagen, woher sie die Kraft nahm, nicht auf der Stelle bewusstlos zu werden, sondern seinem Blick weiterhin standzuhalten. Sollten die Franzosen Hartmann und Meyer wirklich eingeholt haben, war alles verloren. Dann würde die Eilbotschaft ihres Vaters Wellington niemals erreichen, und alles wäre umsonst gewesen. Die gesamte Truppe hätte ihr Leben für nichts geopfert.
„Mein Vater weihte mich nicht in seine Pläne ein.“ Zwischen den Gefühlen ungläubiger Wut, tiefer Trauer und bitterer Verzweiflung schwankend, weigerte sie sich, seinem Blick auszuweichen.
Dennoch drohte die Hoffnungslosigkeit sie zu überwältigen, und als sie spürte, dass ihre Augen feucht wurden, kniff sie sie zusammen, um die Tränen zurückzudrängen. Doch ihr Bemühen war umsonst. Zu ihrem Entsetzen rollte ihr eine Träne erst über die eine, dann die andere Wange. Ungehalten wischte sie sie fort.
„Weinen Sie, Mademoiselle?“
Sie glaubte, Spott in seiner Stimme zu vernehmen, und sah trotzig zu ihm auf. „Ich werde Ihnen nichts sagen, nicht das Geringste!“, erklärte sie mit erhobener
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