Herzen in süßer Gefahr (German Edition)
KAPITEL
Josette hockte auf der Kante einer staubigen Kiste, die Arme um sich geschlungen, um sich gegen die Kälte in dem feuchten Keller zu schützen, in den die französischen Soldaten sie eingesperrt hatten. Wohin immer sie in der Dunkelheit blickte, erschien das blasse, unbewegte Antlitz ihres toten Vaters vor ihrem inneren Auge, und sosehr sie es auch versuchte, sie konnte nicht vergessen, wie ihm das Blut aus dem Mund geronnen war. Bleierne Stille umgab sie, doch selbst jetzt glaubte sie noch das laute Donnern der Gewehre und Musketen und die Schreie der sterbenden Männer zu hören. Verzweifelt hielt sie sich die Ohren zu, um die entsetzlichen Geräusche zu ersticken, aber es half nichts.
Am Morgen war sie noch Teil einer Einheit von fünfundzwanzig Männern und drei Frauen gewesen. Sie hatte Wasser von der Quelle hinter dem Kloster geholt, um Tee aufzubrühen. In bester Laune war ihr Vater zum Frühstück erschienen, und sie hatten nahrhaften, wärmenden Porridge gegessen und miteinander gelacht.
Josette erinnerte sich, wie er ihr von den französischen Soldaten berichtet hatte, die das Gebirge überquerten, und dass er beabsichtigte herauszufinden, was sie hier suchten. Also hatten er und eine Hand voll seiner Männer sich auf den Weg gemacht, während Josette und die anderen im Kloster geblieben waren und das Abendessen vorbereiteten. Doch der Spähtrupp war schon nach kurzer Zeit zurückgekehrt, den Feind dicht auf den Fersen. In höchster Eile hatte Lieutenant Colonel Mallington seinen Captain und den Ersten Lieutenant mit einer Botschaft zu Wellington entsandt. Nicht lange danach waren die Franzosen angerückt und hatten Josettes Welt in Trümmer gelegt. Ihr Vater würde nie wieder mit ihr lachen. Er war tot. Alle waren tot. Alle außer ihr.
Der Gedanke war so unerträglich, dass sich ihr Magen heftig zusammenzog. Hastig sprang sie auf und erreichte, in der Dunkelheit stolpernd, eine Ecke des Kellers, wo sie sich würgend vornüberbeugte. Als der Anfall vorüber war, lehnte sie sich zitternd gegen die Wand. Erst nach einer ganzen Weile fühlte sie sich in der Lage, ihren Weg zurück zu der Kiste zu ertasten, auf der sie gesessen hatte.
Eine Ewigkeit schien vergangen zu sein, da hörte sie Schritte auf der Treppe, die sie vorhin von den Franzosen heruntergeschleift worden war. Dem Geräusch der klackenden Absätze nach zu urteilen, war es ein einzelner Mann, der auf den Keller zukam. Josette wappnete sich innerlich und versuchte, die Furcht zu unterdrücken, die ihr die Kehle zuschnürte. Jemand drehte den Schlüssel im Schloss und stieß die Tür auf.
Das Licht einer Laterne blendete sie. Josette wandte das Gesicht ab. Als ihre Augen sich an die Helligkeit gewöhnt hatten, blickte sie erneut zur Tür und sah sich dem Capitaine gegenüber, den ihr Vater Dammartin genannt hatte.
„Mademoiselle Mallington“, sagte er, trat über die Schwelle und blieb mit erhobener Laterne vor ihr stehen.
Er kam ihr sehr viel größer vor als in ihrer Erinnerung. Staub und Schmutz waren von seinem Uniformrock gebürstet worden. Zu der weißen Hose trug er kniehohe schwarze Stiefel, und dieses Mal hatte er den Messinghelm der Dragoner nicht aufgesetzt. Im Schein der Laterne schimmerte sein kurzes Haar schwarz wie die Nacht. Er sah sie ausdruckslos an, aber ein harter Zug lag um seinen Mund. In dieser Hinsicht hatte ihre Erinnerung sie immerhin nicht getrogen.
„Capitaine Dammartin.“ Sie erhob sich.
„Setzen Sie sich“, befahl er auf Englisch.
Josette presste gereizt die Lippen zusammen. Sein leiser Ton ließ nichts Gutes ahnen, und dennoch war ihre erste Regung, sich ihm zu widersetzen. Nur der Gedanke an ihren Vater ließ sie innehalten. Sie meinte noch, seine Stimme hören zu können: Vertrau ihm, Josette . Aber wie sollte sie dem Franzosen vertrauen, wenn sich jede Faser in ihr dagegen sträubte? Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, ihrem Vater zu gehorchen, und andererseits ihrem Spürsinn zu glauben, zögerte sie.
Dammartin zuckte mit den Schultern. „Dann stehen Sie eben, da Sie es vorzuziehen scheinen. Für mich macht es keinen Unterschied.“ Ungerührt ließ er den Blick auf ihr ruhen.
Josettes Herz klopfte wild, doch sie weigerte sich, ihn ihr Unbehagen merken zu lassen. Mit leicht vorgerecktem Kinn sah sie ihm stolz ins Gesicht.
So maßen sie einander mit Blicken. Keiner von beiden wollte sich die Blöße geben, sich als Erster abzuwenden.
„Ich möchte Ihnen einige Fragen
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