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Herzensjunge

Titel: Herzensjunge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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mir nicht aus dem Kopf gegangen«, sagt Mama leicht gurgelnd. Sie hält gerade ihr Gesicht unter das fließende Wasser.
    Mir auch nicht, denke ich. Mama fängt an, mir unheimlich zu werden. Ist sie ein Medium? Liest sie meine Gedanken?
    »Ganz ohne Mutter aufzuwachsen«, sagt Mama, »stell dir das vor.«
    Lieber nicht. Ich gebe ihr einen Kuss und beschließe, noch mal ins Bett zu gehen. Eine kleine Mütze Schlaf. Bis Viertel vor sieben. Dann hat Papa seinen Auftritt in meinem Zimmer.
    »Bist du heute Mittag wieder da?«, frage ich.
    »Ich hoffe«, sagt Mama, »Oma wollte noch vorbeikommen.«
    »Sie soll bloß keinen Kuchen mitbringen«, sage ich.
    »Du undankbares Gör«, sagt Mama. Doch es klingt verständnisvoll.
    Ich lebe mitten in einem Idyll. Ich weiß das durchaus
zu schätzen. Ich werde nur ein wenig zu gut gefüttert in dem Idyll. Oder ist es das Muster meines Schlafanzuges, das dick macht?
    Ich drehe mich um und überlasse den Spiegel ganz meiner Mutter.

8
    Hanna ist wieder da. Sie kommt in die Klasse und ich traue meinen Augen nicht. Ich hatte erwartet, dass sie auf braves Kind macht. Ihre langen dunklen Haare, die sie sonst offen trägt, zu einem Zopf bindet. Zopf und Samtschleife.Vielleicht noch ein karierter Rock.
    »Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert«, würde meine liebe Großmutter sagen beim Anblick von Hanna.
    Sie hat ihre Haare lose hochgesteckt. Sehr lose. Ist alles irgendwie zerzaust. Dafür hat sie sich gründlich geschminkt. Kajal um die Augen. Die Lippen mit einem Konturenstift ummalt und mit lila Gloss ausgefüllt. Das klebt wohl so, dass sie den Mund lieber leicht offen stehen lässt.Was soll denn dieser Auftritt?
    »Arbeitest du jetzt im Puff?«, fragt einer der Jungs.
    Das musste ja kommen.Warum provoziert sie das? Ich dachte, ihre Eltern hatten mit unserem Klassenlehrer reden und Hannas Ruf retten wollen. Der ist bald wirklich zum Teufel. Ich suche ihren Blick, doch sie scheint von mir wegzugucken. Liebe Hanna, lauf schnell auf die
Toilette, und wasch dir dein Gesicht, bevor die Hettich zur Tür hineinkommt und mit ihrer Erdkunde anfängt. Ich sage auch, dir sei schlecht geworden.
    Die Hettich ist die schrecklichste Lehrerin der Schule. Selbst Papa sagt, die wäre aus einer anderen Zeit übrig geblieben.Von Pädagogik keine Ahnung. »Lange Haare, kurzer Sinn« ist einer ihrer Sprüche. Mädchen kann sie nicht leiden. Jungen eigentlich auch nicht. Doch die hält sie schon mal eher für Anwärter auf den Nobelpreis.Vor allem in ihrem zweiten Fach: Mathematik. Da tut sie gerne so, als ob Frauen überhaupt keine Gehirnzellen hätten. Sich selbst hält sie wohl kaum für eine Frau. So wie sie aussieht. Alles zu kurz, zu breit, zu grau an ihr. Mich kann sie gar nicht leiden, weil ich einen Kopf größer bin als sie.
    Der darf sich Hanna nicht ausliefern. Ich schließe die Augen, als die Tür aufgeht. Als ließe sich so der Lauf der Dinge aufhalten. Manchmal falle ich in solchen Momenten in eine frühkindliche Phase zurück. Doch ich habe das Gefühl, dass viele aus der Klasse die Augen schließen und den Atem anhalten. Nur ein paar von den Jungs blöken ein bisschen herum und Franziska und ihre Truppe kichern.Was sonst.
    Die Stimme der Hettich kommt so leise, wie ich sie noch nie gehört habe. Ich schlage die Augen auf, als wollte ich ihr von den Lippen lesen.
    »Du kleines verdorbenes Biest«, sagt sie.
    Darf sie das? Das geht zu weit. Auch das Kichern hat aufgehört.
    »Verlasse sofort diesen Klassenraum«, sagt die Hettich.
    Ich möchte sie so gerne beschützen, meine beste
Freundin. Auch wenn sie sich in letzter Zeit ziemlich bescheuert benommen hat. Hanna steht auf. Ganz langsam steht sie auf. Ich kenne sie gut genug, um zu wissen, dass sie kurz davor ist, in Tränen auszubrechen. Doch sie hebt das Kinn ganz hoch und geht zur Tür. Die fällt hinter ihr ins Schloss, dass die Wände zittern. Wo wird sie hingehen?
    Wenn man weiß, was an anderen Schulen los ist, dann kann man doch nur lachen über Frau Hettich und ihren Aufstand, weil eine Schülerin mal doller geschminkt ist. Lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Kann sein, dass Hanna ziemlich schräg aufgemacht ist heute. Obwohl an ihren Klamotten nicht wirklich was zu meckern ist. Bisschen eng alles. Die Jeans und das Jäckchen. Doch noch im Normalbereich. Für die Hettich natürlich nicht, die aussieht wie ein mit Zement ausgegossener Karton.
    Ich sitze da und gucke zur Hettich, die das Klassenbuch aufschlägt, als

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