Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
was?«
Siegessicher hielt sie ihm ein zerknittertes DIN -A4-Blatt entgegen. »Oder dein Dienstherr erfährt, dass du unserer Tochter bei einer Urkundenfälschung geholfen hast. Ich habe den Antrag für Hannahs Schulwechsel nie unterzeichnet.«
Oliver stieß ein freudloses Lachen aus. »Und was sollte dir das bringen? Willst du, dass ich meinen Job verliere? Dann kannst du deine Unterhaltszahlungen vergessen.«
»Mein Anwalt sagt, du könntest als Strafverteidiger wesentlich mehr verdienen.«
»Wenn ich eine Stelle finden würde, vielleicht.« Oliver zuckte die Schultern.
»Willst du Krieg?«, fragte Bianca, als ihr klarwurde, dass sie mit ihren Forderungen kläglich gescheitert war. »Kannst du gerne haben. Ich kann dir das Leben noch immer zur Hölle machen, Oliver, vergiss das nicht.«
Er hatte keine Lust mehr auf diese Diskussion und Biancas Gekeife. Sie machte ihn wütend, und er hatte entschieden genug davon, wütend auf seine Ex zu sein. »Tu, was du willst. Schau, wie weit du damit kommst. Zeig mich an, verklag mich, informiere meine Vorgesetzten über was auch immer. Hannah hat entschieden, erst einmal bei mir zu bleiben, und daran wirst du im Moment nichts ändern. Also verschwinde jetzt mit deinem Liebhaber aus meiner Stadt.«
Sie warf ihm einen letzten vernichtenden Blick zu, machte wortlos kehrt und stöckelte auf ihren rosafarbenen High Heels zum Auto zurück. Ihr Freund ließ den Motor bereits an, als sie die Hälfte des Weges zurückgelegt hatte.
Oliver sah der Corvette hinterher, bis sie an der nächsten Kreuzung abbog und aus seinem Sichtfeld verschwand. Eine leise, hämische Stimme flüsterte ihm zu, dass er diese Begegnung möglicherweise bald bereuen würde.
Er wollte gerade die Haustür aufschließen, als sie von innen geöffnet wurde. Hannah stand hinter der Tür und ließ ihn ein. Sie hatte Tränen in den Augen. Sie musste die ganze Zeit dort im Flur gestanden und die Auseinandersetzung ihrer Eltern belauscht haben.
Ihre Blicke trafen sich.
Augenblicklich wünschte er, einiges von dem zurücknehmen zu können, was er zu ihrer Mutter gesagt hatte. Hannah mochte inzwischen sechzehn sein, trotzdem hätte sie von alldem besser nichts mitbekommen.
Wenigstens schien sie nicht wütend zu sein. Zu seiner Überraschung umarmte sie ihn plötzlich, legte ihren Kopf an seine Schulter und murmelte: »Danke.« Auch wenn es nur ein kurzer Moment war, war Oliver froh, sie in den Armen halten zu können.
Epilog
Als Jennifer am Dienstagabend das Präsidium durch den Hintereingang verließ und auf den Hof hinaustrat, war es bereits dunkel. Immerhin hatte sie den Absprung früh genug geschafft, um noch einkaufen gehen zu können, auch wenn man sie vermutlich zur Kasse treiben würde, kaum dass sie den Supermarkt betreten hatte.
Die Aufarbeitung des Falles lief auf Hochtouren, wobei sie sich im Moment auf Drachs Verbindung zu Wilfried Mertens und auf den unaufgeklärten Mord an der Frankfurter Prostituierten konzentrierten.
Jürgen Drach würde am Mittwoch anonym beerdigt werden. Man hatte ihn obduziert, und die polizeiinternen Untersuchungen, die der Tod eines Verdächtigen sowie der Gebrauch von Schusswaffen grundsätzlich nach sich zog, waren so gut wie abgeschlossen. Erwartungsgemäß hatten sie keine Verwandten ermitteln können. Bisher waren nur wenige Details über Drachs Leben zusammengetragen worden, doch er schien seine Kindheit und Jugend überwiegend in Heimen und anderen Erziehungsanstalten verbracht zu haben.
Wie schwer die Schädigungen durch die Lobotomie waren und wie stark der Eingriff seine Gehirnfunktionen beeinträchtigt hatte, mussten die Experten klären. Drachs Gehirn würde noch längere Zeit von Neurologen und anderen Spezialisten untersucht werden.
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hatte die Ermittlungen zu den von Mertens in seiner Praxis durchgeführten Operationen wiederaufgenommen und arbeitete mit Hochdruck daran, weitere Opfer und Beweise zu finden. Inwieweit diese Ergebnisse Eingang in eine Anklage finden würden, war noch nicht abzusehen. Viele der Taten waren vermutlich bereits verjährt.
Der Fall würde die Kommissarin und ihre Kollegen die nächsten Wochen beschäftigen, auch wenn er insgesamt als aufgeklärt gelten konnte. Trotzdem war die Anspannung noch nicht gänzlich von Jennifer abgefallen. Sie litt nach wie vor an Kopfschmerzen und Erschöpfung. Der Kollaps nach ihrem unfreiwilligen Bad im See war vielleicht doch ernster gewesen, als sie sich selbst
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