Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
Er legte auf, blieb aber noch so lange auf dem Parkplatz stehen, bis die letzten Beamten den Keller verließen und anschließend die Tür versiegelten. Die Menge der Schaulustigen löste sich auf, und auch für den Staatsanwalt war es an der Zeit, nach Hause zu fahren.
Als er durch den Vorgarten des Mehrfamilienhauses ging, klingelte erneut sein Telefon. Diesmal ertönte jedoch der Refrain von Lily Allens »Fuck You«. Bianca versuchte ihn zu erreichen, zum zigsten Mal, seit Hannah bei ihm war. Ein kurzer Griff in die Hosentasche, ein Knopfdruck, und der Anruf landete auf seiner Mailbox.
Irgendwann würde er mit ihr sprechen müssen. Irgendwann. Aber nicht heute Abend.
»Schön zu wissen, dass ich dir einen solchen Klingelton wert bin.«
Oliver erstarrte, keinen Meter von der Haustür entfernt. Er drehte sich erst zu seiner Exfrau um, als ihn die Schritte in seinem Rücken fast erreicht hatten. Der Anblick war verstörend. Hannah hatte erwähnt, dass ihre Mutter sich seit einiger Zeit nicht mehr angemessen kleidete. Dass sie allerdings trotz der Kälte in einem viel zu kurzen Minirock, Spitzenstrumpfhosen und einem Mantel mit Leopardenmuster herumlief, war dann doch ein Schock.
»Bianca«, sagte er nur und verschränkte die Arme vor der Brust.
Sie war gut einen Kopf kleiner als er und musste zu ihm aufschauen. Ihr Gesicht war vor Zorn rot angelaufen. »Willst du eigentlich jeden meiner Anrufe einfach wegdrücken?!«
Oliver ignorierte die Frage und ließ seinen Blick auf die andere Straßenseite wandern, wo eine in die Jahre gekommene rote Corvette unter einer Laterne im Parkverbot stand. Der Typ, der kaugummikauend auf dem Fahrersitz lümmelte, war höchstens Mitte zwanzig. Sie hatte also auch noch ihren Lover mitgebracht. »Kommst du eigentlich immer ohne Voranmeldung?«
»Ich bin gekommen, um meine Tochter abzuholen«, erwiderte Bianca. »Ich habe geklingelt, es macht aber keiner auf.«
Oliver zuckte die Schultern. »Vielleicht ist sie nicht da.«
»Sie ist da. Sie ist kurz am Fenster erschienen und hat gesagt, ich soll mich verpissen.«
»Ich werde ihr mitteilen, dass ihre Wortwahl nicht unbedingt angemessen war, ansonsten kann ich mich der Aussage aber nur voll und ganz anschließen.«
Bianca ballte die Hände zu Fäusten, ihr Atem beschleunigte sich, doch noch hatte sie sich unter Kontrolle. »Sie soll ihren Kram packen und nach Hause kommen! Dorthin, wo sie hingehört!«
»Ich denke, sie ist alt genug, um zu entscheiden, wo sie wohnen will«, erwiderte Oliver ruhig. »Wir haben beide das Sorgerecht. Es gibt keinen Grund, warum sie nicht hier sein sollte.«
»Was glaubst du, warum sie zu dir gerannt ist? Weil ihre Zicken bei allen anderen nicht mehr funktioniert haben, aber dir kann sie ja noch ausgiebig auf der Nase herumtanzen!« Bianca schüttelte den Kopf, während sie ihren rechten Zeigefinger in seine Richtung stieß. »Und was das Sorgerecht angeht: Mein Anwalt ist bereits damit beschäftigt, eine Klage vorzubereiten.«
Oliver seufzte. »Du machst es nur noch schlimmer.«
»Ach ja?! Was mache ich denn nur noch schlimmer?!«
Er fragte sich, was aus der Frau geworden war, die er einst geliebt hatte. Wo war die intelligente, leidenschaftliche Bianca geblieben, die diesem Typen in seiner Angeberkarre allenfalls den Mittelfinger gezeigt hätte? Wo war die liebevolle Mutter geblieben, die für ihre Tochter über Leichen gegangen wäre?
»Hannah ist zu mir gekommen, weil sie auf deinen Lover und deine neue Jugendlichkeit keinen Bock mehr hat«, erklärte Oliver. »Und was tust du? Du kommst hierher, diesen Kerl im Schlepptau, und glaubst tatsächlich, dass sie mit dir mitkommt? Du bist doch gar nicht hier, weil du sie unbedingt zurückhaben willst, sondern wegen mir. Wenn sie zu ihrer Oma abgehauen wäre, würdest du die Zeit mit deinem Lover genießen und für ein paar Wochen einfach vergessen, dass Hannah überhaupt existiert.«
Bianca verdrehte die Augen. »Geht jetzt wieder dieses Juristengeschwätz los? Du hast doch keine Ahnung!«
»Hast du dich in letzter Zeit mal im Spiegel angesehen?«, fragte Oliver. »Ich kenne Nutten, die besser angezogen sind als du.«
»Gut zu wissen, welchen Umgang du derzeit pflegst. Das wird das Familiengericht bestimmt höchst interessant finden.« Sie starrte ihn an. Ihre Lippen verzerrten sich zu einem bösen Lächeln. »Letzte Chance, Oliver. Sag Hannah, sie soll zu mir zurückkommen. Schmeiß sie raus, wenn’s sein muss. Oder …«
»Oder
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