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Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)

Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)

Titel: Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Saskia Berwein
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zu sagen?«
    Mertens warf nur einen kurzen Blick darauf. »Das ist meine Handschrift. Und weiter?«
    »Sie haben ihm Briefe geschrieben«, stellte Oliver fest und ballte die Hand unter dem Tisch zur Faust. »Briefe, die ihn in seinem Tun bestärkt haben.«
    Wieder ein Schulterzucken. »Wenn Sie das sagen.«
    »Sie wussten, wer er war und was er tat.«
    »Kann schon sein.«
    Oliver knirschte unwillkürlich mit den Zähnen. Der Scheißkerl hatte Drachs Phantasien Nahrung gegeben, sie weiter befeuert und all seine Zweifel im Keim erstickt. Noch gab es kein abschließendes Gutachten, doch Doktor Rabe tendierte zu der Annahme, dass Jürgen Drach niemals zum Mörder geworden wäre, wenn Mertens ihn nicht dazu motiviert hätte.
    »Wir haben Drachs Aufzeichnungen, Herr Mertens. Sie haben ihn erschaffen. Den Mann, der glaubte, nicht fühlen zu können, und den Mann, der gemordet hat.«
    Der Neurologe sagte nichts darauf.
    Die Ermittler hatten durch Drachs wirre Notizen erstaunlich viel erfahren, nachdem sie sich erst einmal in seine Gedankengänge eingefunden hatten. »Ursprünglich war er auf der Suche nach Ihnen. Er hat Sie aufgespürt, in diesem Heim. Er hat sich nachts hier eingeschlichen, um Sie zu töten. Sein Fehler war allerdings, dass er Ihnen nicht einfach wie geplant die Kehle durchgeschnitten, sondern Sie zuerst zur Rede gestellt hat.« Grohmann schüttelte angewidert den Kopf. »Und Sie haben mit ihm geredet. Sie haben sich seine labile Persönlichkeit zunutze gemacht und ihm eingeredet, Sie könnten ihm helfen. Es war offensichtlich, dass er keinesfalls unfähig war, Gefühle zu empfinden. Das haben sein Hass auf Sie und sein Wunsch nach Rache zweifellos bewiesen. Aber anstatt ihm eine ärztliche Behandlung oder eine Therapie nahezulegen, haben Sie ihn in seiner Annahme bestärkt, er könne keine Gefühle empfinden. Sie haben widerliche Vorstellungen und Ideen in seinen Kopf gepflanzt und ihm eingeredet, er könne die Gefühle anderer Menschen auf sich übertragen, indem er ihnen das Herz herausschneidet. Sie haben den Menschen, der er einmal war, gleich zweimal zerstört.«
    Mertens ließ die Anschuldigungen regungslos über sich ergehen. Dann lächelte er plötzlich selbstzufrieden. »Ich habe ihn nicht zerstört. Ich habe an ihm einen Beweis erbracht.«
    »Und welcher Beweis sollte das sein?«, fragte Jennifer, die ihm am liebsten das Grinsen aus dem Gesicht geschlagen hätte.
    »Der Beweis, dass meine frühere Arbeit richtig war. Ich habe ihn beeinflusst und einen anderen Menschen aus ihm gemacht, das stimmt. Der zentrale Punkt aber ist doch, dass ich durch die Operation dieses verstörten, labilen, kranken Jungen überhaupt erst die Grundlage dafür geschaffen habe, einen anderen Menschen aus ihm formen zu können. Zwar habe ich ihn in eine Person verwandelt, die Ihnen zuwider ist, aber das war die einzige Möglichkeit, um den Fall einer größeren Öffentlichkeit bekanntzumachen.« Mertens’ Lächeln war breit, seine Augen glänzten vor Stolz. »Er wird in Erinnerung bleiben und somit auch ich selbst und meine Arbeit, meine Erfolge.«
    Jennifer konnte kaum glauben, was sie hörte. Jetzt verstand sie auch, warum Mertens Drach dazu angehalten hatte, ihm Fotos seiner Taten zu schicken, obwohl ihm klar gewesen sein musste, dass das die Polizei auf den Plan rufen würde. Mertens hatte gewollt, dass sie ihm auf die Spur kamen. Er wollte Publikum. »Das ist krank. Vollkommen krank.«
    Mertens schüttelte den Kopf. »Das ist Ihre Sicht der Dinge. Ich bin mir aber sicher, dass dieser Fall dazu führen wird, die Lobotomie in der sogenannten Expertenwelt erneut zu diskutieren. Es wird ein Umdenken stattfinden. Und ich werde als Initiator dieser neuen Ära in die Geschichte eingehen.«
    »Das Einzige, was in Erinnerung bleiben wird, sind die Menschen, die Ihretwegen sterben mussten – und Ihr Prozess«, erwiderte Oliver. »Und einen Prozess wird es geben. Ich bin nicht der Einzige, der ein verdammt großes Interesse daran hat, Sie vor Gericht zu sehen, selbst wenn ›lebenslang‹ für Sie nur noch wenige Wochen bedeuten sollte.« Der Staatsanwalt schob Mertens ein Dokument über den Tisch hinweg zu. Es war der Haftbefehl, den er am frühen Morgen erwirkt hatte. »Draußen warten zwei Beamte darauf, Sie dem Haftrichter vorzuführen und anschließend in die Justizvollzugsanstalt zu bringen. Wegen des Verdachts auf Anstiftung zum Mord, Strafvereitelung und Behinderung der Justiz.«
    »Und das soll mir jetzt Angst

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