Herzensruhe
Habgier, die einen nie zur Ruhe kommen läßt. Man kann sich nicht an dem freuen, was man hat, sondern schaut ständig nach dem aus, was man noch brauchen könnte. Tagelang treibt es einen um, ob man nicht das oder jenes kaufen sollte. Doch sobald man es gekauft hat, kann man sich gar nicht mehr darüber freue n. Da geht schon das nächste Bedürfnis an, das einen wieder nicht in Ruhe läßt, bis man es durch Kaufen erfüllt hat. Manche werden regelrecht von einer Kaufsucht getrieben. Etwas zu besitzen ist durchaus nichts Schlechtes. Die Sehnsucht nach Besitz entspringt letztlich der Sehnsucht, in Ruhe und Sicherheit leben zu können. Besitz ist die Verheißung von Ruhe. Aber viele werden von ihrem Besitz besessen. Sie werden dazu getrieben, immer mehr zu besitzen.
Weil sie in sich nicht genügend Reichtum haben, suchen sie den Reichtum außen.
Allen drei Grundtrieben ist es eigen, daß sie uns in die Sucht treiben können, wenn wir nicht aktiv mit ihnen umgehen. An und für sich sind die Triebe nicht schlecht. Wie das Wort sagt, treiben sie uns an, etwas zu tun. Eigentlich wollen sie uns zum Leben treiben. Essen will uns zum Genießen treiben, Sexualität zur Lebendigkeit und Besitz zur Ruhe. Die Bibel versteht diese Grundtriebe des Menschen letztlich als Antreiber auf Gott hin.
Im eucharistischen Mahl werden wir eins mit Gott. Die Beziehung zu Gott wird in einer erotischen Sprache beschrieben.
Der wahre Besitz, der uns Ruhe bringt, ist die kostbare Perle, die in uns ist, das wahre Selbst, das Bild, das Gott sich von uns gemacht hat. Aber wir lassen uns oft genug davon in die Sucht treiben, in die Eßsucht, die Drogensucht, die Trinksucht, in die
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Sexsucht, die Kaufsucht, die Spielsucht, die Habsucht. Sucht ist immer verdrängte Sehnsucht. Weil wir uns unserer Sehnsucht nicht stellen, die in den drei Trieben zum Ausdruck kommt, werden wir süchtig. Und der Süchtige sucht vergebens nach der Erfüllung seiner Bedürfnisse. Er wird von seiner Sucht beherrscht.
Von Emotionen durcheinandergeschüttelt
Auch die drei Logismoi des emotionalen Teiles können in die Unruhe treiben. Die Mönche nenne n die drei Emotionen: Traurigkeit, Zorn und Lustlosigkeit (Akedia). Es gibt aber sicher noch viele andere Emotionen, die das menschliche Herz verwirren und es an der Ruhe hindern. Da ist die Traurigkeit, die sich in Selbstmitleid oder Depression äußern kann. Man kann seine Situation nicht bejahen, man trauert seinen nicht erfüllten Illusionen nach. Man schwimmt im Selbstmitleid. Cassian übersetzt das griechische Wort type, das Evagrius als
„Niedergeschlagenheit der Seele“ beschreibt, mit tristitia, Trübsinn, „finsterer Ernst, Trist-Sein, resignative Verstimmung, deprimiertes Mürrisch-Sein“. Die Traurigkeit hat mit Schwermut und Depression zu tun. Depressionen künden sich oft durch eine übertriebene Unruhe an. Man kann es nicht mehr bei sich aushalten. Manchmal steigert sich die Unruhe dann in Schlaflosigkeit. Man kann nicht mehr abschalten. Man ist zwar ständig müde, aber es gelingt einfach nicht, einzuschlafen. Man wird von so vielen negativen Gedanken gequält, daß man nicht zur Ruhe kommt. Heute leiden viele Menschen an Schlaflosigkeit. Die Formen der Schlaflosigkeit sind verschieden. Manche können nicht einschlafen, weil ihnen soviel im Kopf herumgeht. Andere kommen einfach nicht ins Bett. Sie tun noch irgend etwas Belangloses, aber sie können sich nicht aufraffen, alles loszulassen und sich schlafen zu legen.
Andere schlafen zwar ein, aber schon nach kurzer Zeit wachen sie wieder auf und quälen sich dann die ganze Nacht damit ab, daß sie nicht mehr schlafen können. Oft sind es Inhalte des
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Unbewußten, die sich zu Wort melden. Man hat sie zu lange verdrängt. Jetzt verschaffen sie sich in der Ruhelosigkeit Gehör.
Manchmal sind es die Auseinandersetzungen des Alltags, die einem dann nachts hochkommen. Da erinnert sich ein Geschäftsführer an die Konflikte mit seinem Chef. Er grübelt nach und wiederholt innerlich das Gespräch, das er während des Tages mit seinem Chef geführt hat. Aber es führt nicht weiter.
Das Grübeln geht im Kreis herum. Er wälzt sich von einer Seite auf die andere und muß morgens gerädert und unausgeschlafen wieder aufstehen.
Cassian beschreibt, wie aus der Traurigkeit vier Haltungen entstehen: „grobes, unfreundliches Wesen (rancor), Kleinmut (pusillanimitas), Verbitterung (amaritudo), Verzweiflung (desperatio)“. Diese vier Haltungen münden
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