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Herzensruhe

Herzensruhe

Titel: Herzensruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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Bescheid zu wissen sowie höchster Interessiertheit und ist doch bodenlos.“ Im Gerede scheint man mit andern in Beziehung zu sein. Aber in Wirklichkeit drückt sich darin nur die Beziehungsunfähigkeit aus. Aber selbst dieser Unfähigkeit zu wirklicher Beziehung stellt man sich nicht, sondern weicht ihr aus im oberflächlichen Gerede. Zu welchem Sprachverfall
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    das Gerede führt, zeigen die heute weitverbreiteten Talkshows.
    Da wird die Fähigkeit des Menschen zum Gespräch ad absurdum geführt. Da redet man aneinander vorbei. Da wird der andere zwar zum Reden animiert. Aber die Zeit wird ihm vorgegeben und oft genug auch die Gedanken. Da kann sich nichts entwickeln. Da wird alles neue Denken sofort wieder zerstört. Es geht nur um Effekthascherei, aber nicht um ein wirkliches Gespräch.
    Zum Gerede gehört die Neugier, die Martin Heidegger in
    „Sein und Zeit“ treffend beschrieben hat. Im Anschluß an Augustinus kennzeichnet er die Neugier als „ein spezifisches Unverweilen beim Nächsten“, als „zerstreute Aufenthaltslosigkeit“. Die Neugier sucht „das Neue nur, um von ihm erneut zu Neuem abzuspringen. Nicht um zu erfassen und um wissend in der Wahrheit zu sein, geht es“, sondern darum, von einem zum andern zu hüpfen, wobei eigentlich alles gleichgültig ist und einen nichts wirklich angeht. Viele sitzen mit dieser Neugierde vor dem Fernseher. Sie hüpfen von einem Programm zum andern, möchten überall einmal hineinschauen, aber sie werden immer unfähiger, sich einen Film zu Ende zu sehen, eine Diskussion bis zum Schluß mitzumachen. Man möchte alles und hat am Ende nichts in der Hand.

    Von den Gedanken hin und her gerissen

    Noch weniger als die Gefühle lassen sich die Gedanken beruhigen, die im Kopf herumschwirren. Solange sie im Kopf sind, kommen wir nie zur Ruhe. Die Gedanken lassen sich nicht so leicht abstellen. Sie können sich verselbständigen. Manche zergrübeln sich mit ihnen ununterbrochen den Kopf und kommen nie zur Ruhe. Die Mönche nennen hier als die drei
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    geistigen Logismoi: Ruhmsucht, Neid und Hybris (Stolz). In der Ruhmsucht geht es darum, daß wir ständig darüber nachdenken, was die andern von uns denken. Wir stehen innerlich ohne Unterlaß auf der Bühne und überlegen uns, was wir wohl tun und sagen müßten, damit wir gebührend beklatscht werden. Die Ruhmsucht ist gepaart von einer ständigen Angst vor der Meinung der andern. Wir haben Angst, den Erwartungen unserer Umgebung nicht gerecht zu werden. Wir überlegen ängstlich, ob die andern wohl unsere Fehler und Schwächen entdecken. Wir können nicht mit innerer Ruhe in eine Gesellschaft gehen. Wir setzen uns selbst unter Druck, daß wir auch eine gute Figur machen, daß wir von allen gesehen werden.
    Wir sind von außen gesteuert. Und solange wir in der Hand der anderen sind, sind wir immer hin und her gerissen, leben wir nie aus unserer eigenen Mitte.
    Die Ruhmsucht tritt heute vor allem als Perfektionismus auf.
    Wir haben Angst, einen Fehler zu machen. Wir haben den Anspruch, fehlerlos zu sein. Die Ursache dieses Perfektionismus liegt häufig in der Kindheit, daß wir unseren Wert nur durch Leistung und Fehlerlosigkeit erkaufen konnten. Auf dem Hintergrund des Perfektionismus steht die tiefsitzende Angst vor der eigenen Wertlosigkeit. Man möchte seinen Wert beweisen, indem man immer mehr arbeitet. Aber selbst wenn man einmal gelobt wird, ist es einem zu wenig. So tut man immer mehr, weil die Sehnsucht nach Bestätigung maßlos ist. Man hat nie genug mit der Anerkennung, die man bekommt. So arbeitet man sich zu Tode und findet doch nie den inneren Frieden.
    Viele möchten ihre Angst überwinden, weil sie sie immer und überall verfolgt. Aber wenn sie ihre Angst frontal bekämpfen, werden sie sie nie überwinden. Sie werden ständig auf sie fixiert bleiben. Wir müssen uns den Ursachen unserer Angst zuwenden. Und ein zentraler Grund für unsere Angst liegt in einer falschen Lebenseinstellung, in einer lebensverneinenden Grundannahme, wie es die kognitive Verhaltenstherapie
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    ausdrückt. So eine zerstörerische Grundannahme könnte sein:
    „Ich darf keinen Fehler machen, sonst bin ich nichts wert. Ich darf mich nicht blamieren, sonst werde ich abgelehnt.“ Wer von solchen Grundannahmen bestimmt wird, kann nicht ruhig seine Arbeit verrichten oder aus seiner Mitte heraus den Menschen begegnen. Er wird von den Gedanken der Angst gequält. Auch wenn er abschalten möchte, verfolgen ihn diese Gedanken.

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