Herzflattern im Duett
Nachschub sorgen. Manche Männer hatten eine CD-Sammlung oder einen Schrank voller Bücher, mit denen sie ihre Gäste beeindrucken konnten. Mihai Tepes hatte einen Kühlschrank voller Blutampullen. Er stand im Keller neben seinem Sarg.
»Meine Mutter hat gesagt, sie kümmert sich um eine Überraschung. Aber trotzdem brauchen wir noch ein Geschenk für Opa«, sagte Elvira Tepes.
Mihai Tepes nahm einen kräftigen Schluck Kaffee. Er runzelte die Stirn. Er dachte angestrengt nach. Sein Schwiegervater hatte Geburtstag. Er musste sein Bestes geben. Auch, wenn er mit Opa Gustav nicht bestens klarkam.
Im Gegensatz zu Oma Rose wusste Opa Gustav nicht, dass seine einzige Tochter einen Vampir geheiratet hatte und seine einzigen Enkelkinder Halbvampire waren. Oma Rose hatte nie den richtigen Zeitpunkt gefunden, es ihrem Mann schonend beizubringen. Und jetzt, wo er kurz vor seinem 72. Geburtstag stand, fürchtete sie, er würde bei dieser Neuigkeit einen Schlaganfall erleiden.
»Ich könnte Gustav ein paar Zecken aus meiner Sammlung schenken«, schlug Mihai vor. »Aber nicht Napoleon und Fidel, die sind zurzeit in Bestform«, fügte er schnell hinzu.
Mihai Tepes sammelte Zecken. Rennzecken. Rennzeckenwetten waren ein beliebter Volkssport in Transsilvanien. Mihai Tepes hatte seinen Schwiegervater schon mehrmals mit seiner Rennzeckenwettleidenschaft zu begeistern versucht. Vergebens. Opa Gustav war eingefleischter Fußballfan. Es konnte nichts Besseres als Fußball geben.
»Das ist nett von dir«, sagte Frau Tepes, »aber Opa Gustav wüsste mit den Rennzecken doch gar nichts anzufangen. Er würde sie nur ...« Sie machte ein knirschendes Geräusch. »Du weißt schon.«
Mihai Tepes nickte. Seine Frau hatte recht. Mal wieder.
Mihai und Elvira überlegten. Opa Gustav mochte Autos (schnell und sportlich), Fußball (im Stadion und im Fernsehen) und Wurst (zum Frühstück, Mittag und Abendbrot). Und er liebte Oma Rose (seit beinahe 50 Jahren). Ein Auto hatte er schon. Fußball guckte er jede Woche. Von Wurst konnte er nie genug bekommen. Elvira und Mihai beschlossen, Opa Gustav eine extragroße Wurstplatte beim Fleischer zu bestellen. Darüber würde er sich auf jeden Fall freuen.
»Und Daka und Silvania spielen ihm noch ein Ständchen«, sagte Elvira.
»Meinst du?« Herr Tepes zog die Augenbrauen hoch.
»Hör doch. Sie üben schon.«
Herr Tepes lauschte. Tatsache. Über ihnen erklangen ein Cello und ein Schlagzeug. Ein Ständchen war eine gute Idee. Allerdings verstand Herr Tepes nicht, warum seine Töchter offenbar ein anderes Lied als ›Transsilvania, rodna inima moi‹ probten. Für Herrn Tepes war es das schönste Lied der Welt.
Es hatte 14 Strophen und bei jeder Strophe zerfloss sein Herz vor Sehnsucht nach der transsilvanischen Heimat. Er dachte an die rauen Berge, an die grünen Täler, die sprudelnden Flüsse, die dichten Wälder und die saftigen Wildschweine darin.
Herr Tepes seufzte. Unwillkürlich fing er an, ›Transsilvania, rodna inima moi‹ zu summen.
Elvira Tepes sah ihren Mann mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ihr großer Zeh wippte im Takt.
Tatsächlich saßen Daka und Silvania in ihrem Zimmer und übten ein Geburtstagsständchen für Opa Gustav. Nachdem sie vom Jahrmarkt gekommen waren, hatte Daka ihren Eltern entrüstet berichtet, dass es dort weder Schleuderbomben noch Blutzuckerwatte noch ein Kreuzknoblauchkabinett gegeben hatte. Silvania behauptete auf Nachfrage, dass Achterbahnfahren ganz toll sei und sie den rot-blau gestreiften Schal, den sie noch immer um den Hals trug, an einer Losbude gewonnen hatte. Um weiteren Fragen zu entkommen, hatten sich die Schwestern schnell auf ihr Zimmer zurückgezogen.
Daka saß hinter dem Schlagzeug.
Silvania saß hinter dem Cello und hielt den Cellobogen in der Hand.
Daka schlug die Schlagzeugsticks dreimal aneinander. »Los, probieren wir mal ›Rapedosch bosch moi moi melo‹.«
»Schlag mir auf die Melone?«, übersetzte Silvania erstaunt. »Was soll das denn sein?«
»Das ist die neue Single von Krypton Krax«, erklärte Daka. Krypton Krax war Dakas Lieblingsband. Es war ihr Traum, einmal mit dem Sänger mit den orangefarbenen Augen auf der Bühne zu stehen.
»Meinst du, das gefällt Opa Gustav?«
Daka zuckte mit den Schultern. »Den Text versteht er ja sowieso nicht.«
»Probieren wir lieber ein deutsches Volkslied. Gibt es irgendeins, in dem es um Fußball, Autos und Wurst geht?«
Daka wollte gerade etwas erwidern, als sie ein Zwicken im Magen
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