Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herzgefaengnis

Herzgefaengnis

Titel: Herzgefaengnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greta Schneider
Vom Netzwerk:
abhauen war das letzte.
kein gruß, h.
     
    Scheiße. Schon wieder sie. Wie oft denn noch? „E-Mail Absender blockieren?“ – „Ja.“ – „Wirklich blockieren?“ – „JA (verdammt)“. Wie viele Adressen würde sie sich noch zulegen? Langsam hörte der Spaß auf.
     
Absender: Jung, Sabina
Betreff: RE: RE: RE: Tapfer genug für einen Termin?
Lieber Herr König,
ich wüsste nicht, was Sie das angeht, mit wem ich ins Kino gehe. Aber zu Ihrer Beruhigung (nicht, dass Sie mir da nachbohren ;-)): Mit meiner Freundin. Die habe ich nämlich wegen meiner Examensprüfung schon ewig nicht gesehen. Warum schreibe ich Ihnen das eigentlich?
Ach ja. Weil Sie es bis Sonntag nicht aushalten. Bis wann denn dann? (Nicht, dass ich Ihnen da etwas versprechen kann …)
Ihre
Sabina Jung
 
Absender: KHK Leo König, LKA
Betreff: RE: RE: RE: RE: Tapfer genug für einen Termin?
Liebe Frau Jung,
wenn Sie mir nichts versprechen können, wüsste ich wiederum nicht, wieso ich Ihnen sagen sollte, bis wann ich es noch aushalte, bis ich Sie wieder sehe. Dazu nur so viel: Jede Minute wird mir lang. Reicht das?
Außerordentlich ungeduldige Grüße
Leo König
PS: Viel Spaß im Kino …
     
    Jede Minute wird mir lang.
    So etwas hatte mir noch nie jemand gesagt. Geschweige denn, geschrieben. Ich hatte unsere Konversation jetzt bestimmt fünfmal gelesen. Täglich fünfmal. Seit drei Tagen. Drei Tage, in denen ich kaum noch an etwas anderes denken konnte als an unser Zusammentreffen im Randale. Und es stand immer noch da. Es war kein Irrtum. Es war ihm auch nicht einfach herausgerutscht. Es war Absicht.
     
Absender: Jung, Sabina
Betreff: Sonntag
Lieber Herr König,
ich fand es sehr nett von Ihnen, mir zu schreiben, dass Ihnen die Zeit lang wird. Dass Sie lieber sofort drankommen möchten als im Wartezimmer eine Nummer zu ziehen (um beim Bild des Zahnarztes zu bleiben), hat mir sehr geschmeichelt. Ist Ihnen Sonntag immer noch recht? Wenn ja, bestimmen Sie Uhrzeit und Ort. Oder haben Sie es sich anders überlegt?
LG
Sabina Jung
     
    Diesmal musste ich auf seine Antwort warten. Eine Stunde. Zwei Stunden. Einen Tag. Kurz bevor ich zu meinem nächsten Dienst bei Franz ausrückte, endlich ein Signal auf meinem iPad. TRÖÖÖT.
    Der penetranteste Ton, den ich einstellen konnte. Damit ich auch ja keine E-Mail von ihm verpassen würde. Ich hielt in der Tür inne, als ich es hörte, und kehrte noch einmal um.
     
Absender: KHK Leo König, LKA 11
Betreff: RE: Sonntag
Liebe Frau Jung,
19:30 Uhr, Bistro T, ich hole Sie um 19:00 Uhr ab. Ich freue mich sehr. Und was die Nummer im Wartezimmer anbelangt: Ersetzen Sie das Verb „ziehen“ einfach mal durch sein Gegenteil – und Sie haben eventuell eine ganz blasse Ahnung davon, was ich unter anderem von Ihnen möchte. Eine ganz, ganz blasse. Aber das trauen Sie sich sowieso nicht. Also noch mal andersherum formuliert: Nein, ich möchte nicht sofort (dran)kommen. Sondern immer schön langsam …
Machen Sie sich also auf was gefasst.
Gespannte Grüße
Ihr Leo König.
     
    Was ist das für eine Frechheit . Mein Stolz stemmte die Arme in die Hüften. Ist der wahnsinnig?
     
Absender: Sabina Jung
Betreff: RE: RE: Sonntag
Lieber Herr König,
denken Sie eigentlich ständig nur an Sex? Oder haben Sie etwas getrunken?
SEHR neugierige Grüße
S. J.
PS: Ich sagte ja schon, ich bin tapfer.
     
    Beim Drücken des „Absenden“-Knopfes schlug mein Herz bis zum Hals. Trotz meiner Tapferkeit.
     
     
    Ich steckte mein iPad in die Tasche und fuhr los. Heute war es endlich mal ein wenig milder, und ich konnte mein Fahrrad nehmen. Der Wind war noch frisch, aber es roch schon nach Frühling, nach Grün, nach Wärme. Endlich.
    Als ich bei Franz eintraf, trötete es schon wieder. Ich huschte erst einmal ins Büro, um die E-Mail zu lesen.
     
Absender: KHK Leo König, LKA 11
Betreff: RE: RE: RE: Sonntag
Liebe Frau Jung,
wie kommen Sie denn darauf? Weder noch. Sie haben doch dieses S-Wort ins Spiel gebracht. Also – wer denkt hier dauernd an … na Sie wissen schon? ich denke höchstens ab und zu mal daran, wie es wohl mit Ihnen wäre. Ach ja: nüchtern bin ich übrigens auch, oder glauben Sie, ich muss mir Mut antrinken?
Sehr GESPANNTE Grüße
L.K.
PS: Sie brauchen übrigens gar nicht tapfer zu sein. Ich garantiere, es wird VIEL besser als Zahnziehen.
     
    Au weia. Der Mann ging ´ran wie Blücher. Wie konnte ich ihm bloß jemals wieder in die Augen sehen, ohne völlig die Fassung zu verlieren, in peinliches Gestammel auszubrechen

Weitere Kostenlose Bücher