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Zärtliche Wildnis

Zärtliche Wildnis

Titel: Zärtliche Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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    »Ich habe so ein Gefühl«, sagte Elizabeth Mortimer, »daß diese Busreise der beste Anfang ist.«
    Schwester Kay Dayton unterdrückte ein Lächeln. Sie kannte diese >Gefühle< von Elizabeth Mortimer, und sie trogen sehr häufig. Doch Liz berief sich immer wieder auf sie, da sie sich einbildete, von ihrem irischen Vater die Fähigkeit zu übersinnlichen Wahrnehmungen geerbt zu haben; tatsächlich hatte sie jedoch nur den Humor von ihm geerbt, der oft mißverstanden wurde, und ein leicht aufbrausendes Temperament, aber nicht die geringste hellseherische Gabe. Zum Glück konnte sie darüber und über sich selbst lachen.
    Kay war nicht begeistert von dieser Busreise. Sie hatte den Verdacht, daß sie höchst langweilig werden würde. Aber wie sollte Elizabeth ihr neues Leben am besten beginnen? Ganz gewiß brauchte sie Frohsinn und Heiterkeit, nachdem sie zwei Jahre lang ihre egozentrische, leicht paranoide Mutter gepflegt hatte. In den letzten Monaten hatte Kay die Frau versorgt und war nach ihrem Tode dageblieben, einerseits, weil das in ihre eigenen Pläne paßte, andererseits aber auch, weil sie Liz, wie sie das Mädchen hinter dem Rücken ihrer Mutter genannt hatte, liebgewonnen hatte. Natürlich war das Mädchen einsam; es hatte ja seine ganze Zeit einer Frau geopfert, die in eine Nervenheilanstalt oder zumindest in ein Pflegeheim gehört hätte. Diesem Ansinnen hatte sich Mrs. Mortimer jedoch energisch widersetzt, und sie war schließlich in ihrem eigenen Bett gestorben, so wie sie es gewünscht hatte. Nun mußte Kay weg, um ihre nächste Stellung anzunehmen, doch ehe sie sich von Liz trennte, wollte sie sicher sein, daß das Mädchen für die nächste Zukunft feste Pläne hatte. Eine Omnibustour entsprach zwar nicht unbedingt ihren Vorstellungen von Ablenkung und Unterhaltung, doch sie war immerhin ein Anfang.
    Das Hauptproblem war vor allem, daß Liz in jenen Jahren, in denen sie ihre Mutter gepflegt hatte, alle ihre Freundinnen verloren hatte. In der Schule war sie zwar sehr beliebt gewesen, doch Mrs. Mortimer hatte die Freundinnen, die sie besuchten, nicht ermutigt wiederzukommen, und sie hatte es Liz unmöglich gemacht, Einladungen anzunehmen. So war das Interesse der Schulfreundinnen an Liz allmählich geschwunden. Was Männer anging, so gab es keine in Liz’ Leben außer jenem einen, der, wie Liz es formulierte, >nicht der Rede wert< war. Ihr Vater hatte ihre Mutter verlassen, als sie fünf Jahre alt gewesen war, und von da an hatte Mrs. Mortimer in allen Männern niederträchtige Heuchler gesehen und sich geweigert, Vertreter dieser Gattung in ihr Haus zu lassen. Von der unglückseligen, kleinen Liebesgeschichte hatte sie nie etwas erfahren. Die meisten Mädchen wären unbeschadet über ein solches Erlebnis hinweggekommen. War es denn heutzutage nicht üblich, daß man schnell Freundschaften schloß und sie dann ebenso schnell wieder fallenließ, ohne sich etwas dabei zu denken?
    Viele hatten Enttäuschungen erlebt wie Liz, ohne daß sie allzu tief darunter gelitten hätten; doch bei Liz war das anders. Eines Abends hatte sie Kay davon erzählt und die Geschichte dann nie wieder erwähnt. Es war eine rührend alltägliche, kleine Romanze gewesen — ein junger Arzt, der den alten Dr. Warren vertreten und mit der Tochter einer seiner Patientinnen geflirtet hatte. Liz war damals neunzehn gewesen und hatte geglaubt, daß ihm wirklich >etwas an ihr lag<. Dann aber war er zu der Überzeugung gelangt, daß das Mädchen nicht gerade eine großartige Partie war. Irrigerweise hielt er sie für arm, und sie war zweifellos schüchtern und unerfahren. Nicht die passende Frau für einen jungen und ehrgeizigen Arzt. Als er die Praxis wieder verlassen hatte, hatte er Liz einige reizende Briefe geschrieben und sich dann in Schweigen gehüllt. »Ich war dumm. Ich dachte, es wäre ihm ernst, dabei hat er sich nur amüsiert.«
    Danach hatte sich das Mädchen, wie Kay feststellte, zumindest teilweise von den Schimpftiraden seiner Mutter gegen die Männer überzeugen lassen.
    »Weißt du«, sagte sie zu Kay, »mein Vater hat uns ja tatsächlich verlassen, wenn ich auch eben erst erfahren habe, daß er uns keineswegs mittellos zurückgelassen hat.«
    Junge Männer hatten in dem Haus von Mrs. Mortimer nicht verkehrt, und Liz entwickelte Männern gegenüber allmählich eine unnatürliche Scheu, die sich sogar auf den Anwaltsgehilfen erstreckte, der ein- oder zweimal vorbeikam, um geschäftliche Angelegenheiten zu

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