Herzgrab: Thriller (German Edition)
Großhändler. Er verkaufte Waschmaschinen, aber nach ein paar Schleudergängen war der Saft raus. « Sie schmunzelte. » Die Beziehung hielt nicht lange, doch Tante Teresa blieb hier. Vor einiger Zeit hat sie die italienische Staatsbürgerschaft abgelegt und die österreichische angenommen. Sehr zum Missfallen meiner Großmutter Zenobia … uhhh ! « Monica ließ die Hände über ihrem Kopf kreisen, als wollte sie Gespenster vertreiben.
» Der Clan der Del Vecchios sieht es nicht gern, wenn jemand der Familie den Rücken kehrt. Aber Teresa ging schon immer eigene Wege. Dabei ließ sie sich von nichts und niemandem unterkriegen. Sie ist starrköpfig wie ein Esel – eine echte Del Vecchio eben. «
Und nun ist sie verschwunden.
» Sind Sie ebenfalls eine Abtrünnige? « , fragte er.
» ›Abtrünnige‹ ist gut. « Sie lachte. » Kann man so sagen. «
» Warum? «
Sie hob die Schultern. » Ich bin froh, wenn ich mit der Familie nichts mehr zu tun habe. Belassen wir es dabei. « Sie sprang von der Arbeitsfläche und reichte ihm die Tasse.
Sie gingen ins Wohnzimmer und setzten sich auf die Couch.
» Sind Sie nach Wien gezogen, weil Ihre Tante hier lebt? «
» Nicht bloß deswegen. Sehen Sie, mein Vater – Teresas Bruder – war Maler, und meine Mutter studierte vor mehr als zwanzig Jahren an der Kunstakademie in Wien. «
» Ist sie auch Italienerin? «
» Sie war es. « Monica machte eine Pause. » Sie ist vor einem Jahr bei einem Reitunfall gestorben. «
» Das tut mir leid. Und Ihr Vater? «
Sie starrte lange Zeit aus dem Fenster, ehe sie antwortete. » Ich bin allein. «
Erst jetzt wurde Gerink die Tragweite des Falls bewusst. Monica hatte keine Eltern mehr, und wie es schien, war Teresa das einzige Familienmitglied, an dem sie hing.
» Ist schon okay. « Sie zuckte mit den Achseln. » Möglicherweise habe ich ein wenig vom Talent meines Vaters geerbt. Ich kam nach Wien, um wie meine Mutter an der Luttenberg Akademie Kunst und Malerei zu studieren. «
» Bei Ihrem Deutsch hätte ich meine Hand dafür ins Feuer gelegt, dass Sie seit mindestens fünfzehn Jahren hier leben. «
» Vielen Dank. Tatsächlich sind es aber erst drei. Teresa sprach von Anfang an Deutsch mit mir, weil wir … «
» … Seelenverwandte sind? « , half Gerink nach.
» So ist es. «
Er stellte die Tasse auf den Tisch und lehnte sich auf der Couch zurück. » Erzählen Sie mir von Ihrer Tante. Hatte sie Feinde? Ist sie untergetaucht? Könnte sie jemand entführt haben? «
» Das ist es ja gerade. Sie ist ein großartiger Mensch, den alle lieben. « Monica erhob sich und nahm ein Fotoalbum von einem der Wandregale.
Während sie es durchblätterten, erzählte Monica von ihrer Tante. Teresa war ausgebildete OP -Schwester und arbeitete in der Chirurgie des Wiener Allgemeinen Krankenhauses. Nach mehreren gescheiterten und kinderlosen Beziehungen war sie die letzten drei Jahre Single geblieben. An interessierten Männern hatte es jedoch nie gemangelt. Sie begleitete Monica öfter zu Studententreffs oder Künstlerpartys, wo sie sich trotz ihrer vierzig Jahre unter den bedeutend Jüngeren wohl fühlte wie ein Fisch im Wasser.
Je mehr Fotos Gerink sah, desto eher kam er zu dem Schluss, dass Teresa und Monica nicht seiner Klischeevorstellung der italienischen Hausfrauen und Mamas entsprachen, die mit einer Schürze um die breiten Hüften in der Küche vor dem Herd standen. Zwei moderne und selbstständige Frauen, die dem Familienclan und der italienischen Lebensweise den Rücken gekehrt hatten.
Auf der letzten Seite klebte nur noch ein Foto. Es zeigte Monica und Teresa vor dem Schauhaus eines Autohändlers neben einem nagelneuen glänzenden Ford Cabrio. Die Frauen waren sommerlich gekleidet und strahlten übers ganze Gesicht.
» Das war in diesem Frühjahr an einem verdammt heißen Tag « , erklärte Monica. » Vor einem Monat ist Teresa, ohne es wirklich zu wollen, in die Toskana gefahren. « Sie saß im Schneidersitz auf der Couch und spielte mit einer langen Haarsträhne. » Meine Großmutter, Zenobia, übte so viel Druck auf sie aus, dass Teresa letztendlich eine Woche Urlaub nahm, ihren Koffer packte und mit dem Wagen nach San Michele fuhr. «
» Weshalb? «
Monica hob die Schultern. » Teresa erzählte etwas von einer Trauerfeier, aber das hat mich nicht interessiert. «
» Wissen Sie für wen? «
Sie hob die Schultern. » Keine Ahnung. Ist mir auch egal. «
» Hätten Sie Ihre Tante nicht begleiten sollen? «
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