Herzgrab: Thriller (German Edition)
fiel ihr nicht ein.
Hödel nickte. Offensichtlich gab er sich mit der Antwort zufrieden. Er brauchte nicht zu wissen, woher die Ausrüstung tatsächlich stammte.
» Und damit können Sie …? «
» Ja « , unterbrach sie ihn. » Lassen Sie mich meine Arbeit machen. Sie werden es sehen, wenn ich so weit bin. «
Sie musste seine Neugier abwürgen, denn die Zeit drängte. Das Pärchen im Nebenraum war bestimmt schon seit zehn Minuten zugange, und Elena hatte keine Zeit gehabt, die Hotelzimmer vorher auszukundschaften. Sie stand auf und blickte zur Zimmerdecke. Sie musste einen Weg für die Kamera finden. Normalerweise benutzte sie die Klimaanlage, die alle Zimmer miteinander verband, doch diesen Luxus bot das Hotel nicht. Durch die Steckdose an der Wand konnte sie ebenso wenig gehen, denn falls die Zimmer wie üblich spiegelverkehrt angeordnet waren, würde ihr der Nachtschrank die Sicht aufs Bett verdecken.
Okay, denk nach! Du musst einen Weg finden. Sie blickte zur Tür. Der untere Türspalt war zu schmal, und der Teppich ließ sich nicht tief genug eindrücken, damit sie vom Gang aus die Kamera ins Zimmer schieben konnte. Verdammt!
Indessen ging Hödel auf und ab und knetete eine Camel-P ac kung in der Hand. Er hielt vor dem Fenster und zog den Vorhang auf. » Stört es Sie, wenn ich auf dem Balkon eine rauche? «
Der Balkon! Sie starrte ihren Auftraggeber an, der angespannt vor der Glastür stand. Das ist die Lösung!
Sie ging auf ihn zu. » Sie können im Zimmer rauchen, hier gibt es keine Feuermelder. «
Elena öffnete die Balkontür und trat ins Freie. Um diese Uhrzeit hatte sich der Frühverkehr in der Wiener Innenstadt einigermaßen beruhigt. Eine Straßenbahn ratterte unter dem Balkon vorbei, und wie üblich hupten einige Taxifahrer. Wenn man das Erdgeschoss hinzuzählte, befand sie sich in der dritten Et ag e. Ein Balkon verband jeweils zwei Apartments miteinander, doch dummerweise lag das Zimmer, in dem Hödels Tochter vermutlich gerade aus ihrem Stringtanga schlüpfte, auf der anderen Seite. Die beiden Balkonbrüstungen lagen jedoch nur einen Meter auseinander. Die Vorhänge im Nebenraum waren zugezogen, aber das Fenster neben der Balkontür war gekippt. Das zehn Meter lange Kabel für die Kamera würde ausreichen.
» Können Sie mir kurz helfen? « , flüsterte sie.
Hödel drückte die Zigarette aus und trat auf den Balkon. Elena schlüpfte aus den Stöckelschuhen, raffte ihren Rock hoch und setzte sich auf die Brüstung. » Geben Sie mir die Hand. «
» Sie wollen doch nicht etwa da hinüberklettern? «
» Natürlich. Machen Sie schon! «
» Sind Sie verrückt? « , ächzte er und warf einen Blick zur Straße hinunter. » Das sind mindestens zehn Meter! «
» Leiser! « , zischte sie und nickte zum gekippten Fenster des Nachbarbalkons. » Ich habe nicht vor abzustürzen. « Sie klemmte sich das Kabel, an dem die Minikamera hing, zwischen die Zähne. » Los jetzt! « , nuschelte sie.
Er reichte ihr den Arm. Sein Händedruck war kräftig. » Seien Sie um Himmels willen vorsichtig. «
Dank ihres Jiu-Jitsu-Trainings, das sie seit ihrem zwölften Lebensjahr machte, war sie gelenkig und immer noch in Form. Diese kleine Übung auf dem Balkon sollte kein Problem darstellen. Sie schwang die Beine über die Steinbalustrade, stellte sich auf den Sims und machte einen Schritt auf den anderen Balkon. Als Hödel ihre Hand losließ, umklammerte sie die andere Brüstung und zog sich hinüber. Unter ihr hupten die Autos, doch keiner der Passanten bemerkte, dass eine Frau in Minirock und Netzstrümpfen über die Balustrade des Hotels kletterte.
Es war nicht notwendig, dass sie den Balkon betrat. Nach vorn gebeugt erreichte sie mit ausgestreckter Hand das gekippte Fenster. Sie bog das Hartplastikkabel zu einem Haken, steckte die Minikamera in den Spalt und schob sie um den Vorhang herum in den Raum. Gewiss war Lydia Hödel zu sehr damit beschäftigt, ihrem raubeinigen Lover das Hemd aufzuknöpfen, als dass sie die Kamera bemerkte.
» In meinem Koffer liegt eine Rolle Klebeband « , flüsterte sie Hödel zu, der das Kabel in der Hand hielt, als wollte er sie damit sichern, falls sie abstürzte.
Er brachte ihr das Band. Sie riss mit den Zähnen einen Streifen von der Rolle ab und fixierte das Kabel am Fensterrahmen. Anschließend kletterte sie zurück.
» Ach Kacke! « , schimpfte sie.
Hastig blickte er sich um. » Was …? «
» Ich habe mir die Strümpfe zerrissen. «
Für einen Augenblick gaffte er
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