Herzklopfen auf Französisch - Perkins, S: Herzklopfen auf Französisch
Blödmann, der gerade gegangen ist. Sie lächelt mich mit Grübchen um den Mund an. »Ich erinnere mich an dich, Herzchen. Hab einen schönen ersten Tag.« Und sie reicht mir ein gelbes Blatt.
Ich überfliege es mit angehaltenem Atem. Uff. Keine Überraschungen. Englisch im letzten Jahr, Mathe, Französisch für Anfänger, Physik, Europäische Geschichte und ein Fach, das die dubiose Bezeichnung »La Vie« trägt.
Bei der Anmeldung hat die Beratungslehrerin erklärt, dass »Das Leben« ein Kurs nur für den Abschlussjahrgang ist, eine Art Stillbeschäftigungsstunde, aber mit gelegentlichen Gastrednern, die uns Vorträge darüber halten, wie man seinen Verhältnissen entsprechend lebt, eine Wohnung mietet oder Quiche backt. Oder was auch immer. Zum Glück hat Mom mir erlaubt, diesen Kurs zu wählen. Einer der Vorteile dieser Schule ist, dass Mathe, Naturwissenschaften und Geschichte im letzten Jahr keine Pflichtfächer mehr sind. Nur leider ist Mum in diesem Punkt Puristin und hat darauf bestanden, dass ich alle drei Fächer auch im letzten Jahr vor dem Abschluss durchziehe. »Mit Töpfern kommst du nie auf das richtige College«, hat sie mich gewarnt, als sie stirnrunzelnd mein Infopaket durchsah.
Danke, Mom. Schickt mich der Bildung wegen in eine Stadt, die für ihre Kunst bekannt ist, und lässt mich ein weiteres Jahr Mathe erleiden. Ich schlurfe zu Meredith und Rashmi hinüber, fühle mich wie das fünfte Rad am Wagen und hoffe dennoch auf ein paar gemeinsame Kurse. Ich habe Glück. »Drei mit mir und vier mit Rash!« Meredith gibt mir strahlend meinen Stundenplan zurück. Ihre regenbogenfarbenen Plastikringe klackern aneinander.
Rash – Ausschlag. Was für ein unschöner Spitzname. Sie quatschen über irgendwelche Leute, die ich nicht kenne, und meine Gedanken wandern zur anderen Seite des Hofes, wo St. Clair mit Josh in der Q-bis-Z-Schlange steht. Ob ich wohl mit ihm einen Kurs zusammen habe?
Ich meine natürlich mit ihnen . Einen Kurs mit ihnen.
Es hat aufgehört zu regnen und Josh tritt in eine Pfütze, sodass das Wasser in St. Clairs Richtung spritzt. St. Clair lacht und sagt etwas, worauf beide noch schallender lachen. Plötzlich fällt mir auf, dass St. Clair kleiner ist als Josh. Viel kleiner. Komisch, dass ich das vorher nicht gemerkt habe, aber er benimmt sich nicht wie jemand, der klein ist. Die meisten sind schüchtern oder defensiv oder eine verworrene Kombination aus beidem, aber St. Clair ist selbstsicher und freundlich und …
»Lieber Himmel, glotz doch nicht so!«
»Was?« Ich drehe mich ruckartig um, aber Rashmi spricht gar nicht mit mir. Sie sieht kopfschüttelnd zu Meredith hinüber, die so schuldbewusst aussieht, wie ich mich fühle.
»Du brennst ja Löcher in St. Clairs Kopf. Das sieht nicht besonders attraktiv aus.«
»Sei still.« Aber Meredith lächelt mich achselzuckend an.
Na schön. Damit wäre das erledigt. Als bräuchte ich noch einen Grund, ihn nicht anzuschmachten. Der Wunderknabe ist ganz offiziell für mich tabu. »Verrate ihm nichts davon«, sagt sie. »Bitte.«
»Bestimmt nicht«, verspreche ich.
»Wir sind nämlich offensichtlich nur Freunde.«
»Offensichtlich.«
Wir laufen herum, bis die Direktorin erscheint, um ihre Willkommensrede zu halten. Die Schulleiterin ist anmutig und bewegt sich wie eine Ballerina. Sie hat einen langen Hals und ihr schneeweißes Haar ist zu einem ordentlichen Knoten zusammengebunden, der sie eher vornehm als alt aussehen lässt. Vor allem wirkt sie wie eine Pariserin, obwohl ich aus meinem Zusageschreiben weiß, dass sie aus Chicago stammt. Sie lässt ihren starren Blick über uns schweifen, ihre einhundert handverlesenen Schüler. »Willkommen zu einem weiteren aufregenden Jahr an der School of America in Paris. Ich freue mich, so viele bekannte Gesichter zu sehen, und noch mehr freue ich mich, die neuen zu sehen.«
Schulreden scheinen zumindest eine Sache zu sein, die auch in Frankreich nicht besser sind.
»Alle Schüler, die schon im letzten Jahr hier waren, möchte ich dazu auffordern, unseren neuen ersten Jahrgang und auch die neuen Schüler der oberen Jahrgänge herzlich willkommen zu heißen.«
Einige vereinzelte Schüler spenden höflich Beifall. Ich blicke mich um und stelle erschrocken fest, dass St. Clair mich ansieht. Er klatscht und hebt die Hände in meine Richtung. Ich werde rot und wende mich ab.
Die Direktorin redet weiter. Konzentrier dich, Anna, konzentrier dich. Doch ich spüre sein Starren wie die Wärme der
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