Herzraub
raste das Vierer-Team zum Hubschrauber.
Wie beim Staffellauf stand schon die nächste Ärztegruppe bereit, um Leber, Nieren und andere verwertbare Organe aus Alexanders Bauch zu holen, schließlich kam noch ein Team, um die Augen zu entfernen und einzutüten.
Nun hatte man alle gewünschten Organe entnommen, die Herz-Lungen-Maschine war abgeschaltet. Eben hatte Alexander Osswald seinen zweiten, ›richtigen‹ Tod erlitten.
Niemand stand mehr um ihn herum. So wie die externen Chirurgen hatten auch die Ärzte des Sankt-Ansgar-Krankenhauses die Stätte des Todes mit sozusagen fliegenden Kitteln verlassen.
Zurück mit der Leiche blieben die kleine, schreckhafte OP-Schwester und die Anästhesie-Schwester. Der Fußboden war blutig wie nach einer Schlacht. Wieder hatte der rabiate Doktor Rapp den OP-Sauger, der bei der Durchspülung das Blut hatte absaugen sollen, fallen lassen, und so hatte sich ein Teil des Blutes auf dem Boden ausgebreitet.
Schweigend beseitigten die Schwestern die Spuren der Schlacht.
Torsten Tügel klappte die Mappe zu. „Jetzt hab ich aber einen Mordshunger. Gehen wir zur Wurstbude rüber?“
Danzik verzog den Mund. „Nicht schon wieder. Wenigstens zum Stehitaliener.“ Er erhob sich von seinem gelblichen 50er-Jahre-Schreibtisch und nahm seine Jacke vom Haken. Einen anthrazitgrauen Lumberjack, abgestimmt auf seine graue Flanellhose.
„Cooler Zwirn“, feixte Tügel. „Hast du heute noch was vor?“
„Nicht, dass ich wüsste.“ Nein, das Treffen mit Laura Flemming – von ihm aus durfte es auch ein Rendezvous sein – war noch nicht verabredet. Aber er gestand sich gerne ein, dass seine heutige Kleidung schon mal die Generalprobe war.
„Und dein Aftershave ist auch nicht zu überriechen.“
„Azzaro. Nicht schlecht, was?“
Tügel rollte nur die Augen nach oben. Wenig später standen sie bei ›Luigi‹ an den runden Tischchen. Danzik bestellte sich zum Prosecco ›Spaghetti al mare‹, sein Kollege Cola und Schinkenpizza.
„Lass uns noch mal zusammenfassen“, sagte Danzik zwischen zwei langen Schlucken. „Am Fundort Reifenspuren von einem Renault, Fußabdrücke eines Schuhs in Größe 38, Fasern von einem Jeansstoff. Das Gift im Körper der Osswald Thallium, also Rattengift. Motive haben Marco Steinmann und Claus Saalbach. Aber auch die Schwester käme in Frage …“
„Die Schwester?“
„Warum nicht? Wirkte völlig gefühlskalt. Man kann ja auch jemanden zu Tode pflegen. Hast du schon feststellen lassen, was die alle für Autos fahren?“
Tügel senkte den Blick. „Ist in Arbeit. – Ich tippe ja auf den Steinmann.“
„Tippen kannst du im Lotto. Dafür müssen erstmal ’ne Menge Beweise her, und das dauert seine Zeit. Aber die Spenderszene … Zu dumm, dass dieser Herzverpflanzer den Spendernamen nicht rausgerückt hat. Aber wir schaffen es auch so. Heute krieg ich Nachricht von der Imhoff, die mir von dem Drohanruf bei ihrer Schwester erzählt hat und wo sie die Anruferin über die Telecom identifiziert haben. Also, wenn ich den Namen erstmal hab …“
„ … dann wirst du wieder zum Blut schnüffelnden Spürhund. Der Wahrheitssucher, der niemals aufgibt.“
Danzik ließ empört seine Gabel fallen. „Du meinst, das bin ich jetzt nicht?“
„Nichts für ungut, Chef.“
Sein junger Kollege hatte ja Recht, dachte Danzik missmutig. Bisher waren sie nur von einer Sackgasse in die andere gelaufen. Hin- und herschwankend zwischen den Verdächtigen aus Celia Osswalds persönlichem Umfeld und diesen ominösen Transplantationsleuten. Andererseits waren ja erst ein paar Tage vergangen.
„Aber selbst wenn diese Frau die Mutter des Spenders ist“, nahm Tügel den Faden wieder auf, „woher sollte die denn wissen, dass Celia Osswald die Empfängerin war? Ich denke, das ist streng anonym und sogar gesetzlich geregelt?“
„Gute Frage. Aber offensichtlich i s t es rauszukriegen. Denk doch mal an den Fall in der ›Bild‹ vor ein paar Wochen. Die Eltern des erschossenen Mädchens lernen den Jungen kennen, der das Herz ihrer Tochter bekommen hat. Alle drei waren abgebildet.“
„Ja, das war aber nur möglich, weil sich das Ganze in der Türkei abgespielt hat“, wandte Tügel ein. „Das Mädchen ist dort einem Mord zum Opfer gefallen, die Eltern sind dorthin geflogen, und der Arzt hat sie um die Spende gebeten. Dann haben sie ihm ein Bakschisch gegeben, damit er den Empfänger verrät.“
„Weil sie so besser weiterleben können. Auf einem Foto sieht man, wie
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