Herzraub
gewesen war. Aggressiv geradezu. Mit ausrastenden Angriffen gegen jeden und sogar gegen sich selbst. Er hatte sich um diesen Organkram keine Gedanken gemacht. Wenn man damit weiterleben konnte – bitteschön. Jedenfalls war sie unausstehlicher denn je geworden. Vielleicht hatte sie ein bösartiges Herz erhalten, hatte er gedacht, oder sie wütete so herum, weil sie nicht damit klar kam, etwas Gespendetes anzunehmen.
Steinmann stand auf und ging zu dem langen Bartisch hinüber. Er probierte einen anderen Whisky, kaute darauf herum und ließ seine Blicke erneut durch den Salon schweifen. Es waren Abschiedsblicke, das wusste er. Damals, als er mit Ewa in Celias blauer Satinwäsche gelegen hatte und seine Geldgeberin unerwartet nach Hause und nach oben gekommen war, hatte seine Laufbahn als Liebhaber ein abruptes Ende gefunden. Celias Augen, eine kalte Racheglut, ihr gewaltsam verschlossener Mund, ihr Schweigen, das ihn unumkehrbar zu einer mittellosen Zukunft verurteilte – die Bilder der Vergangenheit verfolgten ihn noch heute.
Dann, nach Celias Tod, die Wende zum Guten: Ewa hatte ihm, wie nicht anders zu erwarten, ein Alibi gegeben, er konnte sich sicher fühlen, was sollte man ihm auch nachweisen? Und so hatte Celias Lebensversicherung dann auch gezahlt … Aber Weiber! Sie rissen einen letztlich doch in den Abgrund. Diese kleine polnische Schlampe hatte sich an ihn geheftet, hatte doch tatsächlich geglaubt, er würde sie heiraten und das eben erworbene große Geld mit ihr zusammen verbraten. Nein, da hatte er schon anderes vor, peilte wesentlich größere Dimensionen an, eine richtig gute Partie, nach dem Motto: Geld zu Geld gleich noch mehr Geld.
Dann hatte die Kleine von ›Brasilien‹ gefaselt und zugegeben, dass sie das Ticket in der Schublade gefunden hatte. Herumzuschnüffeln – das konnte er leiden! Dann das Gejaule, dass er sie mitnehmen solle, förmlich festgekrallt hatte sie sich an ihm. Als sie schließlich mit Erpressung drohte, sie wolle das Alibi platzen lassen und die ganze Wahrheit ans Licht bringen, da hatte er zugeschlagen. Und nicht zu knapp. Ihr hübsches Schmollmund-Gesicht hatte entstellt ausgesehen, sie würde sich an diesen Verwarnschlag erinnern und in Zukunft nicht noch einmal aufmucken.
Oder doch? Marco Steinmann sprang auf und lief wie getrieben im Zimmer hin und her. Morgen Mittag ging sein Flugzeug. Brasilien, Rio, Copacabana. La dolce vita auf südamerikanisch. Tolle Aussichten. Es konnte doch nicht sein, dass die Kleine ihn im letzten Moment noch zu Fall brachte. Er fühlte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. Vielleicht war sie gerade bei der Polizei, erstattete Anzeige wegen Körperverletzung und packte auch sonst noch alles aus. Nein, so hinterhältig und gleichzeitig couragiert war sie nun doch nicht. Sie musste sich dann ja selbst belasten: ein falsches Alibi gegeben, also gelogen, das warf, wenn sie in den Kreis der Verdächtigen geriet, ein schlechtes Licht auf sie. Und verdächtig machte sie sich. Vielleicht hatte die Polizei schon rausgekriegt, dass sie Rattengift gekauft hatte. Ewa hatte Celia vergiftet – war das für die Polizei nicht schlüssig? Ein kleines, gemaßregeltes und gedemütigtes Hausmädchen, der deutschen Sprache nicht ganz mächtig, wollte den Coup seines Lebens starten und endlich auf die Sonnenseite gelangen …
Er grinste in sich hinein. Heute Abend würde sie wieder angekrochen kommen und selbstverständlich alle Waffen ihres sagenhaften Körpers einsetzen, um ihn umzustimmen. Damit er sie doch noch mitnahm. Aber er würde hart bleiben, sie einfach mit einer passenden Summe Geld ruhig stellen. Nicht zu viel und nicht zu wenig.
Steinmann blieb stehen. Er konnte auf den Abflug bis morgen warten. Brauchte jetzt wirklich nicht abzuhauen. Nur keine Panik. Die Kleine war zu eingeschüchtert, um zur Polizei zu gehen. Entschlossen ging er ins Gästezimmer hinüber und blickte auf die feinen Lederkoffer, die sich in allen Größen in der Nische stapelten. Er würde jetzt packen. Das würde ihn ablenken. Was sollte er überhaupt mitnehmen? Nur Kleidung oder auch Wertsachen? Die antike Uhr, ein paar kleine Teppiche? Ach, Quatsch, da würde er gleich beim Zoll ins Netz gehen. Ja, schade, dass er all die Kostbarkeiten hier lassen musste. Aber das neue Leben mit einer sicheren Geldbasis zu beginnen, war schließlich noch wichtiger.
Marco Steinmann begann, seine ungarischen Edeltreter in den Koffer zu legen.
25
Vor den Fenstern des Kommissariats fuhr ein
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