Herzraub
in kleinen, schnellen Schlucken ihren Kaffee.
„Ich glaube, Sie haben uns einiges zu erzählen“, sagte Danzik. Er schaltete das Aufnahmegerät ein. „Sind Sie einverstanden, dass wir das Gespräch aufnehmen?“
Die Lasbeck nickte. Sie wirkte angespannt. Ihre Gedanken hetzten hin und her. Sie durfte jetzt keinen Fehler machen, musste das Verdächtige weglassen und nur das Unverfängliche preisgeben. So, dass es möglichst harmlos klang. Als sei es natürlich und normal, dass sie in Celia Osswalds Haus verkehrt hatte. Sie erzählte, wie sie sich kennen gelernt hatten, wie sich der Kontakt vertieft hatte, bis sie dann über ›diese Polin‹ von Frau Osswalds schrecklichem Ende erfahren hatte.
Das war auch das Ende ihres Berichts. Danzik drückte auf die Aus-Taste. Brigitte Lasbeck sah erlöst und erleichtert aus. Sie war sich sicher, in keine der aufgestellten Fallen hineingetappt zu sein.
„Und jetzt noch Ihre Fingerabdrücke“, sagte Danzik und führte sie über den Flur zu seinen Kollegen. „Das war’s für heute. Auf Wiedersehen.“
Als man ihre Finger auf die Schwärzfolie drückte, wäre Brigitte Lasbeck fast herumgefahren, um sie dem jungen Beamten kratzend ins Gesicht zu pressen. Aber sie beherrschte sich und blickte auf die gegenüberliegende Wand.
„Unwürdig“, murmelte sie vor sich hin.
Brigitte Lasbeck steuerte ihren Mercedes in Richtung Elbchaussee und merkte, dass sie mit hochgezogenen Schultern fuhr. Ich muss mich entspannen, dachte sie, unbedingt entspannen. Sie wiederholte es wie eine Beschwörungsformel. Zu Hause wird es besser werden, wenn ich nur erst zu Hause bin.
Endlich. Das Garagentor ging hoch. Ein Wunder, dass sie keinen Unfall gebaut hatte.
Sie eilte ins Haus, schenkte sich im Wohnzimmer an der Mahagoni-Konsole einen Cognac ein. Nach ein paar Schlucken warf sie sich aufs Sofa, umfasste fröstelnd ihre Arme und sprang wieder auf. Sie öffnete eine Messingdose und zog die einzige alte Zigarette heraus. Jetzt musste sie rauchen, nach zwei Jahren das erste Mal wieder rauchen. Es ging nicht anders, nur diese eine Zigarette. Zur Beruhigung. Warum war sie so aufgeregt? Sie hatte doch alles richtig gemacht. Keiner von diesen Kommissaren würde auf die Wahrheit kommen. Ihr gieriges Inhalieren ließ langsam nach.
Während sie sich erinnerte, lächelte sie leise in sich hinein. Als sie es rausgekriegt hatte, dass Holgers Herz nun in dieser Schauspielerin, in dieser Celia Osswald schlug, da hatte sie beschlossen, die unrechtmäßige Empfängerin kennen zu lernen. Das war nicht leicht gewesen, aber sie hatte es geschafft, denn sie war dabei ganz schön clever vorgegangen…
Wie findet man die Adresse einer prominenten, ja, berühmten Schauspielerin heraus? Telefonbuch? Fehlanzeige. Einwohnermeldeamt? Brauchte man doch gar nicht erst zu versuchen. Datenschutz und so. Aber dann hatte sie etwas gelesen, das sie elektrisiert hatte: Auf dem Hamburger Kirchentag, so stand es in der Zeitung, würde Celia Osswald einen Vormittag lang am DSO-Stand für die Organspende werben. Als Galionsfigur der Transplantierten, insbesondere der Herz-Transplantierten. Broschüren und Flyer verteilen und zur Unterschrift auf Spenderausweisen animieren. Brigitte Lasbeck hatte sie innerlich vor sich gesehen: mit verführendem Lächeln, als bestes und überlebendes Beispiel für den Erfolg und die Berechtigung der Verpflanzungsmedizin. Und selbstverständlich würde die Osswald auch Autogramme geben.
Brigitte Lasbeck hatte sich verdeckt hinter einem Zelt postiert und zu dem Osswald-Stand hinübergeschaut. Als der erste Ansturm vorbei war und die Verehrer-Schlange sich aufgelöst hatte, war sie hingegangen und hatte der Osswald mit strahlender und zugleich bescheidener Miene das Buch hingestreckt. ›Celia‹, die Biographie, die der Lebensgefährte bzw. eine befreundete Journalistin über die Schauspielerin geschrieben hatte.
„Bitte – ein Autogramm für meine Nichte. Sie schwärmt ja so für Sie und hat alles über Sie gesammelt.“
„Ach, wirklich? Das freut mich aber.“ Celia Oss-wald kringelte schnell und mit steiler Schrift ihren Namen hin.
„Ja, und sie hat Ihnen auch drei lange Briefe geschrieben und einen Glücksbringer geschickt.“
„Ach, ja? Wie schön.“ Die Osswald blickte ihr Gegenüber erstmals richtig an. Sie wirkte irritiert und fuhr sich mehrmals durch ihre weißblonde Zementfrisur.
„Leider hat meine Nichte keine Antwort bekommen, aber ich habe ihr gesagt, das musst du
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