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Herzraub

Herzraub

Titel: Herzraub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Buttler
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fühlte, wie ihr Gesicht allmählich abkühlte. Sie musste eben einen wahnsinnigen Blutdruck gehabt haben, gut, dass sie die Werte nicht kannte, auch beim Arzt fragte sie nie nach. Seltsam, dass sie seit einiger Zeit an so etwas wie Blutdruck dachte. Aber sie war eben nicht mehr Ende dreißig, sondern Ende vierzig.
    Sie fand einen Parkplatz, angenehm zum Schrägstellen, und stieg ohne Hast die Treppen zu ihrer Dachwohnung hinauf. Sie mochte diese gepflegte, renovierte Altbau-Villa. Die Miete war bezahlbar, da konnte man auf einen Fahrstuhl verzichten. Freundinnen beneideten sie um dieses Nest mit Baumblick, nannten es ›feminin‹, was sie trotz ihres Karrierewillens nicht störte. Es war das erwünschte Refugium, um sich legal fallen zu lassen.
    Oben vor ihrer Wohnungstür stand ein quadratisches Päckchen, an sie adressiert, aber ohne Absender. Sie dachte sofort an den Wiener Bürgermeister Hellmut Zilk, der durch eine Briefbombe eine Hand verloren hatte. Sie schloss auf, warf ihre Sachen auf einen Stuhl und stellte das Päckchen im Wohnzimmer auf den Esstisch. Sie drehte es ein wenig hin und her, horchte daran, ohne verdächtige Geräusche zu bemerken – dann riss sie die Verpackung mit schnellen Griffen auf. Immer noch eine Hülle und immer noch eine Hülle, schließlich traf ihr Blick eine durchsichtige Tupperdose.
    Laura Flemming schrie leise auf. Was war denn das? Eine rote, schaukelnde Glibbermasse – ein Organ. Jetzt aber zusammenreißen. Was für ein Organ? Sie schaute genauer hin und nahm den Deckel ab. Kein Zweifel, so sah ein Herz aus. Aber wer kam schon an ein Menschenherz? Das war ja absurd. Da musste sich irgendjemand auf dem Schlachthof bedient haben. Vielleicht kam auch ein Bauernhof in Frage. Da steckte ja noch etwas Weißes an der Seite. Sie zog das Blatt heraus: „Sie elendes Schwein. Schweinisches für Schweine. Wenn Sie weiter gegen die Organspende schreiben, werden wir Sie fertig machen.“ Alles in blutroter Schrift.
    Laura Flemming legte das Blatt über die Dose. Etwas zitterig ließ sie sich auf ihr mintgrün gepolstertes Korbsofa sinken und dachte nach. Einfach in den Müll damit und alles vergessen? Nein. Sie musste den Kommissar anrufen. Danzik. Werner Danzik. Ein sympathischer Mann. Beruhigend und aufregend zugleich. Sie fand Männer mit Schnauzer attraktiv. So wie Dietmar Ossenberg, den ZDF-Moderator. Aber jetzt war Werner Danzik nur als Beruhiger gefragt. Als Kommissar, von dem man einen gewissen Schutz erwarten konnte.
    Sie griff zum Telefon.
    „Mordkommission zwei, Danzik.“
    „Laura Flemming. Ich – ja, ich mich auch. Passiert? Ja, etwas sehr Unangenehmes. – Ein anonymes Päckchen. – Ein Herz, offensichtlich ein Tierherz. – Doch, es geht, ich komme zurecht. – In einer Stunde sind Sie da? Das ist wunderbar, ich danke Ihnen.“
    Laura Flemming legte tief durchatmend auf. „In einer Stunde“ – was sollte sie solange machen? An Arbeit war jetzt nicht zu denken. Nicht mal an Notizen sortieren. Ihr Blick ging zum Esstisch. Unappetitlich, so was. Da durfte das Zeug nicht stehen bleiben. Es ging bereits ein unangenehm süßlicher Geruch davon aus. Mit den Fingerspitzen fasste sie nach dem Päckchen und stellte es auf den Balkon. Sie dachte an den bedrohlichen Text. Konnte mit ›fertig machen‹ auch ›töten‹ gemeint sein? Nein, an so etwas durfte sie nicht denken. Lächerlich. Nein, nicht einmal den Appetit würde sie sich verderben lassen. Es war kurz vor Mittag. Sicher würde Werner Danzik nicht mehr die Zeit finden, in die Polizeikantine zu gehen. Schnell etwas Mediterranes für sie beide zu zaubern, konnte nicht verkehrt sein. Laura Flemming ging zu ihrer Buchenholz-Küche hinüber.
    Das Klingeln war wie eine Erlösung. Sie ließ den Kommissar über die Gegensprechanlage ein, riss die Wohnungstür auf und beugte sich übers Geländer. Da stapfte er hoch, sehr langsam. Hatte er nicht was von einer Allergie gesagt? Na, Allergikerin war sie ja auch. Damit konnte man klar kommen, arbeiten, ein Liebesleben haben … Schön, dass sie im gleichen Alter waren …
    Und da stand er schnaufend vor ihr. Im nachtblauen Lumberjack und in schwarzen Hosen. Die Waffe musste darunter stecken. In einer stillen Stunde würde sie sich den Gebrauch mal zeigen lassen. Musste sie sich jetzt einen Gasrevolver gegen den unbekannten Feind anschaffen?
    „Uff“, sagte Danzik.
    „Ja, die Treppen. Das geht allen so.“ Laura Flemming lächelte zurück. „Bitte kommen Sie

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