Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
Besonderes. Komm schon, Ol, ich werd für immer und ewig deine beste Freundin sein. Ich korrigiere Arbeiten für dich. Ich geh mit Sasha spazieren und übernehm deine Vertretungsstunden. Na, was meinst du?«
»Dass ich noch was zu trinken brauche.« Ollie blickt sehnsüchtig zum Tresen. »Du verlangst von mir, kostbare Trinkzeit am Samstagabend damit zu verplempern, für zwei Banker Essen zu kochen.«
»Bitte! Ich bin am Rande der Verzweiflung.«
Ollie leert sein Glas. »Und wieso musst du diese Idioten beeindrucken? Wenn sie dich nicht mögen, wie du bist, sollen sie sich zum Teufel scheren.«
»Ich kann nicht so sein, wie ich bin«, sage ich kläglich. »Dann blamiere ich James.«
Ollie zieht einen Geldschein aus der Brieftasche. »Wenn das so ist, Katy – wieso will er dich dann heiraten?«
Er überlässt mich dieser berechtigten Frage und drängt sich durch die Freitagabendmeute zum Tresen durch. Ich starre betrübt in mein Weinglas. Wie soll James mich denn auch so lieben können, wie ich bin? Ich bin weder anmutig und liebreizend wie Millandra noch dünn und blond wie Nina. Ich bin klein und rothaarig und gebe häufig unpassende Bemerkungen von mir. Außerdem kann ich nicht kochen, trage die falschen Kleider und bin eine komplette Enttäuschung für James’ Mutter. Ich bemühe mich wirklich nach Kräften, James’ Karriere zu fördern und an mir zu arbeiten, aber es will mir einfach nicht gelingen.
James kenne ich sogar noch länger als Ollie, weil er früher neben meiner Patentante, Tante Jewell, in Hampstead gewohnt hat. Wir sind sozusagen fast zusammen aufgewachsen. Meine Schwester Holly und ich waren in den Ferien immer bei Tante Jewell, während unsere Eltern nach Marrakesch oder Marokko oder sonst wohin fuhren, wo sie Dope rauchen und ihre Kinder vergessen konnten.
Ich bin nicht verbittert oder so. Es wäre nur einfach nett gewesen, normale Eltern zu haben, die sich die Hausaufgaben anschauen und einem regelmäßig was zu essen machen. Tarotkartenlesen vor dem Frühstück ist schon in Ordnung, und natürlich bin ich froh, dass ich heute weiß, wie ich meine Chakren reinigen kann, aber eine Siebenjährige kann mit einer Schale Frosties und einem Pausenbrot eben mehr anfangen.
Aber ich schweife ab.
Tante Jewell ist eigentlich gar nicht meine Tante; ich glaube, wir sind nur ganz entfernt verwandt, so etwa wie Cousinen achten Grades. Ich weiß aber, dass Jewell sehr eng mit meiner Großmutter befreundet war und dass unsere Familien seit damals in Verbindung stehen. Es wurde oft erzählt, dass Jewells Eltern ihre ungebärdige Tochter loswerden wollten, deshalb die Kohle für die Londoner Gesellschaftssaison investierten und das Mädchen auf die nichtsahnende Hautevolee losließen. Ich habe Fotos von Jewell beim Debütantinnenball gesehen; sie war atemberaubend hübsch damals, obwohl ich sie ohne ihre langen silbergrauen Haare und ihren Haustier-Kleinzoo kaum erkannte. Wie zu erwarten war, erzürnte sie ihre Altersgenossinnen, indem sie einen Heiratsantrag vom höchst begehrten Rupert Reynard, dem Duke of Westminster, erhielt. Die Hochzeit der beiden war das gesellschaftliche Ereignis des Jahres, an dem sogar Mitglieder des Königshauses teilnahmen. Das Paar verbrachte seine Flitterwochen in Cannes und zog dann in Ruperts altehrwürdiges Familienanwesen. Ab diesem Punkt variiert die Geschichte nun je nach Erzähler. Unserer Version nach ist Jewell mit dem Gärtner durchgebrannt, weil sie die Affären ihres Gatten satthatte. Rupert Reynard hat das vermutlich anders dargestellt. Jewell ließ nie ein Wort über ihre Beweggründe verlauten, aber das Verhältnis der beiden Familien ist seither angespannt – nicht zuletzt deshalb, weil Rupert ihr nicht einen Cent vermachte.
»Man kann am Ende sowieso nichts mitnehmen«, sagt Jewell immer achselzuckend, wenn man auf diese ungerechte Behandlung zu sprechen kommt. »Außerdem«, pflegt sie dann munter hinzuzufügen, »ging es mir ja trotzdem gut.«
Was auch stimmt. Sie wurde Fotomodell und war in den frühen Sechzigern die Muse des berühmten zügellosen Künstlers Gustav Greer. Seine blubberigen rosa Gemälde von der nackten Jewell hängen in allen Galerien von der Tate Modern bis zu Saatchi. »Grässlich.« Jewell schüttelt sich immer, wenn man sie darauf anspricht. »Der arme Kerl hatte kein Geld, um mich zu bezahlen, deshalb habe ich Zeichnungen und Gemälde als Entgelt angenommen.«
Was eine gute Idee war. Aus unerfindlichen Gründen beschloss die
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