Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
betört wäre und den ich mit meiner Liebe zähmen würde. Er würde mich von meiner verrückten Familie erlösen und in seine glamouröse Welt der Leidenschaft entführen, und wir würden glücklich und zufrieden sein bis ans Ende unserer Tage. So ein Leben verhießen die Liebesromane jeder Heldin, von der bescheidenen Kammerzofe bis zur beherzten Sklavin. Ich musste nur in aller Ruhe abwarten. Früher oder später würde mein Held kommen und mein Herz im Sturm erobern.
Doch leider geschah nichts dergleichen.
All meine schmucken Prinzen legten die unangenehme Angewohnheit an den Tag, sich in Frösche zu verwandeln, sobald ich sie küsste. Wie enttäuschend.
Als ich den Verwendungszweck meiner Geschlechtsorgane schon fast vergessen hatte und gerade erwog, Verlage von Liebesromanen wegen Vortäuschung falscher Tatsachen zu verklagen, beschloss das Schicksal, dass es an der Zeit sei, mich von meinem Elend zu erlösen. An einem Abend vor vier Jahren machte ich mich schick für Tante Jewells Geburtstagsparty, nichtsahnend, dass mein Leben sich in Kürze grundlegend verändern würde.
Jewells Geburtstagspartys sind legendär. Alljährlich setzt sie eine Anzeige in die Times und verschickt Einladungen an ihre illustren Freunde und Verwandten – die daraufhin alles stehen und liegen lassen, um an ihrem rauschenden Fest teilzunehmen. In jenem Jahr war das Motto Ein Sommernachtstraum , und ich hatte wochenlang gehungert, um mich in ein grün schillerndes Feenkostüm zu zwängen.
Na schön, in Wahrheit hatte ich zehn Mäuse in ein Miederhöschen investiert. Aber meine Vorsätze waren wirklich gut gewesen.
Kurz bevor ich losfahren wollte, erreichte mich eine SMS von meinem damaligen Freund, der beschlossen hatte, sich auf diesem Wege von mir zu trennen. So dass ich vor der Entscheidung stand, so lange zu heulen, bis ich wie ein Gnom aussah, oder allein zum Fest zu gehen. Für gewöhnlich hatte ich Ollie auf diesen Partys im Schlepptau, weil Jewell ihn vergötterte, aber in jenem Sommer stapfte er in den Anden herum. Ich beschloss, mich meinem gebrochenen Herzen später zu widmen, und machte mich in voller Montur – Feenkostüm, Flügel und Zauberstab – in Ollies launischem VW-Käfer zum Fest auf. Nun konnte ja eigentlich nichts mehr schiefgehen.
So kann man sich irren. Das Schicksal spielt mir nämlich mit Vorliebe Streiche. Wer noch nicht im Feenkostüm auf einer Autobahn liegen geblieben ist, hat jedenfalls keine Ahnung, was peinlich ist. Zu Pfiffen und trötenden Lasterhupen suchte ich verzweifelt unter der Kühlerhaube nach dem Motor, bis mir einfiel, dass der beim Käfer hinten ist. Nicht dass ich eine Vorstellung davon gehabt hätte, was zu tun war. Ich fühlte mich nur besser, wenn ich irgendetwas machte, anstatt mich vor den nächsten Sattelschlepper zu werfen. Der Pannenservice wollte leider nichts von mir wissen, weil Ollie seinen Monatsbeitrag nicht bezahlt hatte.
Der hatte wirklich Schwein, dass er sich in den Anden rumtrieb …
Ich hätte mich am liebsten auf den Boden geschmissen und geheult. Komplett gestrandet. Was um alles in der Welt sollte ich jetzt tun?
Und dann geschah es. Der Augenblick, von dem ich seit meinem zwölften Lebensjahr geträumt hatte. Ein eleganter Mercedes hielt neben mir, die Tür ging auf, und ein schlanker, hochgewachsener Männerkörper entfaltete sich.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?«
Ich schaute auf, und es verschlug mir auf Anhieb die Sprache, was bei mir so gut wie nie vorkommt. Versuchsweise machte ich den Mund auf, aber es fühlte sich an, als hätte der Mann die Stummtaste gedrückt – ich brachte keinen Laut hervor. Dieser große dunkelhaarige Fremde war einfach zu schön, um wahr zu sein. Er hatte hinreißend eisblaue Augen, Wangenknochen, die so fein geschwungen waren, dass die Königsfamilie auf ihnen hätte Skifahren können, anstatt nach Davos Klosters zu wandern, und lange schwarze, vom Wind gezauste Zigeunerlocken. Die Sonne umgab ihn mit einer Art Heiligenschein. Oder vielleicht war er ja tatsächlich ein Engel.
»Ist Ihr Auto kaputt?«
Das Auto hatte ich völlig vergessen, aber mein Sprechorgan war in der Tat kollabiert, so viel stand fest. Dieser Bursche hätte direkt aus einem meiner Schmachtfetzen stammen können.
Und ich steckte in einem blöden Feenkostüm.
Der Mann trat auf mich zu, und kleine Lachfältchen erschienen um seine Augen, als er (mit kraftvollem Blick) auf mich hinuntersah. Dann sagte er: »Hol’s der Geier. Bist du das,
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