Hetzer & Kruse 03 - Schattengift
die Katze.“ Anna hoffte, dass man ihr die Lüge nicht anmerkte. Sie wusste genau, dass Aisha Marie gerochen hatte und zu ihr wollte.
„Kommen Sie zurecht?“, fragte Hetzer.
„Sicher, wir raufen uns schon zusammen“, sagte Anna.
„Wir haben wenig Zeit“, erklärte Wolf bedauernd,
„aber das ist gleichzeitig auch eine gute Nachricht. Ihre Freundin Marie ist wieder aufgetaucht. Sie liegt auf der Intensivstation. Wir wollen gleich hinfahren.“ Ein Leuchten flackerte über Annas Gesicht. „Das ist ja wunderbar!“, rief sie. Die Erleichterung war ihr anzusehen. Es war, als ob ein Schatten aus ihrem Gesicht gefallen war.
„Sollen wir Grüße ausrichten?“, fragte Peter.
„Das wäre wirklich ganz lieb von Ihnen, Herr Kruse“, bedankte sich Anna. Peters Augen strahlten.
Wach
Diffuses Licht fiel durch ihre Lider, als Moni aus der Narkose aufwachte. Sie lag ganz still. Vorsichtig betastete sie ihren Oberkörper. Er war verbunden, aber ihre Brüste waren noch da. Das war ein gutes Zeichen, fand sie, auch wenn es nicht wirklich etwas bedeutete.
Die Ergebnisse der Biopsie blieben abzuwarten.
Langsam öffnete sie die Augen. Sie war noch im Aufwachraum. „Wolf“, dachte sie, er würde sich Sorgen machen, aber sie würde ihn erst anrufen können, wenn sie auf dem Zimmer war.
Über dem unfreiwilligen Schlaf hatte sie jegliches Zeitgefühl verloren. Sie wusste nicht, wie spät es war.
Gerade noch rechtzeitig vielleicht, hoffte sie und schlummerte ein, ohne es zu merken.
Tiefschlaf
Der Stationsarzt der Intensivstation erklärte den Kommissaren, dass sie Marie-Sophie Schulze ins künstliche Koma gelegt hatten. Ihr Zustand war kritisch. Bakterien waren über die offene Wunde an der amputierten Stelle in den Körper eingedrungen. Sie hatten begonnen, das Blut und damit die Organe zu vergiften.
Nein, man könne noch nichts sagen. Wann sie zu sprechen sei, stünde in den Sternen. Ihr Leben hinge an einem seidenen Faden.
Wolf überlegte, ob er sie gerne gesehen hätte. Er war unsicher. Seine Sehnsucht hatte ein festes Ziel gefunden, doch die Verbundenheit war geblieben.
Die Kündigung
Heiner saß eben noch über Anke Tatges Zeugnis und tat sich schwer. Rein fachlich konnte man nichts Schlechtes über sie sagen. Im Kollegenkreis schien sie aber wohl anders gewesen zu sein, als er gedacht hatte.
Trotzdem wollte er fair sein. Sie war so lange Jahre in seiner Praxis beschäftigt gewesen. Das wischte man nicht so einfach weg. Es hinterließ Spuren in beider Leben. Warum war ihm nie aufgefallen, dass sie ihn anders sah? Dass sie ihn nicht nur als ihren Chef empfunden hatte? Sicher war über die Jahre eine Vertrautheit entstanden, die aber die Grenzen einer Freundschaft oder guten Bekanntschaft nie überschritten hatte. Wenigstens nicht bei ihm.
Er seufzte und schrieb weiter. Nein, er wollte fair sein. Sie hatte sich sonst nie etwas zu Schulden kommen lassen. Den Lohn würde er ihr weiterzahlen, aber er wollte sie nicht wiedersehen. Dass er sich so in ihr getäuscht hatte, hatte ihm einen tiefen Schock versetzt, von dem er sich nur langsam erholen würde.
Später würde er es den Kollegen mitteilen, beschloss er und nahm den Hörer ab. Sein Telefon hatte geklingelt.
„Ich hatte Ihnen doch gesagt, ich wolle nicht gestört werden, Frau West“, grummelte er.
„Verzeihung Herr Doktor, die Kommissare möchten Sie sprechen. Es ist dringend.“
„Sind sie hier oder am Telefon?“
„Direkt neben mir“, antwortete Leslie West.
„Schicken Sie sie rein!“, sagte er und legte auf.
Eine halbe Stunde später saß er immer noch wie vom Donner gerührt da.
Wolf Hetzer und Peter Kruse waren längst gegangen. Zwei Nachrichten hätten sie für ihn, hatten die Kommissare gesagt, eine fast gute und eine weniger gute.
Dann hatten sie ihm von Ankes Selbstmord und Marie-Sophies unglücklicher Rückkehr berichtet.
Heiner fühlte sich schuldig. Er hatte Anke den Dolchstoß versetzt und sie in den Tod getrieben.
Schwerfällig nahm er das Zeugnis und die Kündigung und ließ beides im Aktenvernichter verschwinden.
Auf die Frage der Kommissare hatte er nicht antworten wollen. Ob er sich vorstellen könne, dass Frau Tatge den Suizid als Ausweg aus ihrer Schuld gesehen habe, weil sie es gewesen sei, die Frau Schulze das Medikament eingegeben und sie verschleppt habe?
Er sagte nichts, weil ihm die Worte fehlten und schüttelte nur den Kopf. Dann fing es an, in ihm zu arbeiten.
Oh Gott! Daran hatte Heiner überhaupt
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