Heurigenpassion
war. Retten, was noch zu retten war. Wenn sie damit die Spielregeln verletzte und die Chance auf das viele Geld verlor, na bitte. Sie hatte schon bisher nicht viel besessen und war dennoch zufrieden gewesen. Und glücklich, seit sie Heribert liebte.
Wie sollte sie jetzt bloß nach Wien kommen? Frederick hatte sie mit seinem dicken BMW von zu Hause abgeholt, so dass ihr kleiner Hupfer daheim vor der Haustüre geblieben war. Ob sie einen Leihwagen mieten oder sich ein Taxi kommen lassen sollte? Wahrscheinlich waren diese Alternativen zu teuer, sie hatte nur etwas mehr als 100 Euro bei sich. Und die Bankomatkarte. Aber wo war die nächste Geldtankstelle?
Was lag denn da? Immer wenn die Not am größten ist ..., hatte ihre Omi immer gesagt. Bis jetzt hatte Amelia nicht viel davon bemerkt. Dafür schien das aber jetzt voll zuzutreffen. Dieser Scheißmacho Frederick hatte vorhin offensichtlich seine Autoschlüssel auf der Minibar abgelegt und dann vergessen. Sein Besuch war also doch nicht ganz vergebens gewesen. Wenn auch anders, als er sich das vorgestellt haben musste.
Schnell packte sie das Allerwichtigste in ihre Tasche, nahm den Autoschlüssel und verließ den Raum. Im Lift auf der Fahrt nach unten fühlte sie sich schon etwas besser. Sie hatte schon immer mit einem großen, starken Wagen fahren wollen.
Vorsichtig schlich sie sich an der Rezeption vorbei und trat ins Freie. Da stand der elegante, dunkelblaue 725 mit dem geilen Holzlenkrad. Eine Minute später hatte sie den Wagen bereits gestartet und lenkte ihn vorsichtig zur Ausfahrt. Ein Blick in den Rückspiegel zeigte ihr einen verdutzt dreinblickenden Frederick, der gerade vom Tennisplatz zu kommen schien und plötzlich los sprintete.
Da gab sie das erste Mal richtig Gas. So einfach war das.
* * *
Ingrid Marinov-Wondrak hörte von der Geschichte erstmals kurz vor St. Pölten. Es war schon seltsam, Nachrichten dieser Art über sich selbst und den eigenen Mann im Radio zu hören. Allerdings hätte sie sich einen anderen Anlass für ein Erlebnis dieser Art gewünscht. Heribert musste total durchgedreht haben. Dabei war er so gar nicht der Typ, der zu extremen Aktionen neigte.
Würde sie Kaution für ihn zahlen? Falls das überhaupt möglich sein sollte. Sie machte sich seit längerer Zeit nichts mehr vor. Falls Heribert sie je geliebt hatte, dann war diese Phase ihrer Beziehung schon einige Zeit vorbei. Vielleicht mochte er sie noch, aber selbst das war eher unwahrscheinlich. Was er verehrte wie am ersten Tag ihrer Bekanntschaft war ihr Geld.
Wahrscheinlich würde sie zahlen, so wie man die überhöhten Rechnungen des Tierarztes bezahlte, auch wenn das liebe Vieh nichts wert war. Das gehörte sich einfach so.
Vor allem aber wollte sie Heribert niemandem anderen überlassen. Weder kampflos noch überhaupt. Ihr Mann war ein Arsch, aber er war ihr Arsch und den musste sie retten.
Sie gab kräftig Gas, denn das Spektakel wollte sie nicht versäumen. Um keinen Preis der Welt.
* * *
Annemarie Sumser versuchte schon die ganze Zeit, Marinov von der Sinnlosigkeit seines Verhaltens zu überzeugen. »Bis jetzt ist noch nicht viel passiert«, führte sie ihm vor Augen, »und den Bankraub kann ein geschickter Anwalt«, sie wollte schon »wie ich« sagen, fand das aber doch unpassend und unterließ es, »leicht wegargumentieren. Immerhin befinden Sie sich in einer psychischen Extremsituation, Ihre Freundin wird bedroht und sie müssen zahlen. Um kein Risiko einzugehen .«
Marinov stutzte. Er befand sich zwar in einem nachhaltigen Erregungszustand, war aber deswegen nicht verblödet. Woher wusste die Anwältin eigentlich die Sache mit Amelia? Hatte er sich in der letzten halben Stunde darüber geäußert? Er konnte sich nicht erinnern. Im Augenblick war es auch egal.
Dr. Sumser hatte ihr »Hoppala« bemerkt und schnell das Thema gewechselt. »Vor allem ist ja auch zweifelhaft, ob ihr Verhalten überhaupt als Raub einzustufen ist. Immerhin haben Sie ja ausreichende Sicherheiten angeboten. Dass Herr Zwettler die Steine pfänden würde, konnten Sie ja nicht ahnen .« Stimmte nicht ganz, aber das machte ihr im Moment kein Kopfzerbrechen. Wichtig war nur, heil aus dieser Situation heraus zu kommen.
»Für wie blöd halten Sie mich eigentlich ?« Marinovs Reaktion war nicht ganz die, die die Anwältin erhofft hatte. Sie versuchte es noch einmal mit »Wenn Sie wollen, verteidige ich Sie kostenlos .« Als Marinov auch darauf nicht einstieg, hielt sie
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