Esti (German Edition)
Die Stimme des Herzens
K ornél Esti, darin ähnelte er Haydn, haderte nicht mit seinem Schicksal, zwar hatte er die nötige Selbstachtung, doch kümmerte es ihn nicht, ob die Welt gerecht war. Sein Graf war gerecht genug, falls sich diese Frage bei einem Grafen überhaupt stellt. Insbesondere wenn wir noch das siebzehnte Jahrhundert hinzunehmen, und jetzt nehmen wir es hinzu. Estis Selbstachtung, und darin unterschied er sich von Haydn, speiste sich nicht aus seinen schätzenswerten Fähigkeiten, sondern, sozusagen, ganz im Gegenteil. Esti zeichnete sich durch nichts aus, er war nicht dumm und nicht klug, er war nicht schön, aber auch nicht hässlich. Nur ein Beispiel: In seinem Nacken wuchs immer wieder ein Furunkel, man hätte es nur ungern angefasst, sein Gesicht jedoch strahlte trotz der Pubertät so rein wie – zum Beispiel – ein Bergsee.
Ein Talent hatte die göttliche Gnade ihm nicht zuteilwerden lassen. Doch – selten! – spürte er sein Leben. Mit dem Vertrauen der Hoffnung auf ein ruhiges Leben begann er seine Tage, die einfache Arbeit in der Arbeitsküche. Dieses Leben hätte einen eigenen Glanz, Ehre; nicht so sehr Größe, Erhabenheit, aber doch Gerechtigkeit. Die Heiterkeit der Selbstachtung wurzelte also allein darin, dass Kornél Esti Kornél Esti war.
Dass er lebte und ein Mensch war.
In der Küche ließ man ihn nicht die niedrigsten Arbeiten verrichten, aber beinahe, der Weg zum Küchenjungen schien noch weit. Er kehrte gerade Zwiebelschalen zusammen, als Köchin Katus aufgeregt aus der Prunkküche hereinstürmte und fragte, wo ihr Károly sei (Namen von der Redaktion geändert). Der italienische Küchenmeister, die subalternen Köche, Fleischkoch, Beilagenkoch und Nudelkoch, die Küchenbediensteten aller Coleur beruhigten sie gleichsam im Chor, sie solle sich keine Sorgen machen, zum einen seien weder Türken- noch Malariagefahr aktuell, zum anderen sei die schützende Gnade des Herrn immer aktuell; sie sprachen voll guter Absichten und mit mangelnder Aufrichtigkeit, blickten sich zuweilen an, ob es schon genug war.
Esti schweigt eine Weile, mit den Zwiebelschalen ist er fertig, er lehnt den Besen gegen die Wand, tritt langsam wie in einem Theaterstück auf die Köchin zu. Stille. Er atmet tief ein – gar nicht die Luft, eher die Köchin: Ihr Schwitzen erregt ihn nur in dem Maße, wie sein Alter, die siebzehn Jahre, es vorschreibt, so sehr aber doch. Nichts Persönliches, keine mildernde Bewegung, nur Worte, gleichmütig: Ihr Károly liegt tot im oberungarischen Januar, im Mund eine kernige, rote Rose. Die noch größere Stille zerschneidet das immer wieder hervorbrechende Schniefen der Köchin. Ich habe gespürt, dass dieser Hund mich betrügt.
Esti tritt zum Herd, Herr Meister, sagt er plötzlich zu dem Küchenmeister, bisher war es ihm unmöglich, das Wort an ihn zu richten, Maestro, prego, mit diesen Worten kostet er das Krebsragout, prego, Maestro, stoßen Sie einen Gran Eschenpfeffer hinein, wir täten damit Gutes. Der Welsche kostet, schließt die Augen, öffnet sie, blickt Esti an, nickt, geniale.
Vorbei war es mit der ruhigen Zukunft.
Von da an entfernte er sich in seinem Leben nie wieder mehr als zwei Meter von den Töpfen. Von seinen Töpfen. Viele Jahre später hörte er, als er wie gewohnt dem Puffen der Töpfe lauschte, auch in sein Herz hinein. Ob es … ob die Stimme des Herzens noch die alte war. Es beschwerte sich nicht, war nicht betrübt, auf, auf, zum Abendmahl kommen Ritter des verfeinerten Geschmacks zum Grafen. Das war schon ein anderer Graf, doch er hieß wie sein Vorgänger, so konnte man es sich leicht merken, auch den Namen der Hunde, immer Klió, über Generationen hinweg.
Mottokollektion
U nd das Ende der Welt ist der Anfang der Welt. Das wollte ich dir sagen. (Kosztolányi)
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Diese Geschichte ist nicht mir widerfahren, doch nur in der ersten Person kann ich darüber reden. (Zsuzsa Takács)
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Keiner schreibt, was er ist, sondern was er gern wäre. (Kosztolányi)
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Und unserem Gesicht haben wir, so wenig ungarisch das auch sein mag, das Lächeln angewöhnt. (Pál Závada)
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In diesem Land gibt es nichts, nur Missverständnisse. (Sándor Márai)
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Alles, was es hier gibt, gehört uns, von Miklós Bethlen bis zu den Spritzgießmaschinen, von Péter Bornemisza bis zu den Fledermäusen im Treppenhaus, vom heiligen Stephan bis zu unseren konfusen, schwülstigen faulen Lügen. (Der ausgestopfte Schwan)
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Ach, mein Gott, woher hat er nur diese
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