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Heute bedeckt und kühl - große Tagebücher von Samuel Pepys bis Virginia Woolf

Heute bedeckt und kühl - große Tagebücher von Samuel Pepys bis Virginia Woolf

Titel: Heute bedeckt und kühl - große Tagebücher von Samuel Pepys bis Virginia Woolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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er tut nur das, wozu er gerade Lust hat, und wird seine Geilheit wohl nie loswerden.»
    Die durch die Ablenkung entstandene Mißregentschaft führt dazu, daß England fast den Seekrieg gegen Holland verliert. Dabei spart der Damenfreund seinerseits nicht mit Kritik an Kollegen, wie Pepys aus seinem eigenen erlauchten Munde erfährt:
    Der König sprach sich u.a. sehr verächtlich über die merkwürdigen Bräuche am spanischen Hof aus; der König von Spanien pißt nur, wenn ein anderer ihm den Nachttopf hält.
    Fremde Zeiten, fremde Sitten! Betrüblich, wie diese schon damals im Niedergang begriffen waren. Pepys selbst muß dabei gar nicht päpstlicher tun als der Papst, wenn das Wort bei einem Puritaner erlaubt ist. «Amüsierte mich in der Kirche mit meinem Fernglas, durch das ich das große Vergnügen hatte, eine große Zahl attraktiver Frauen zu beobachten», berichtet Pepys 1667. «Mit dieser Beschäftigung und einem kurzen Nickerchen überstand ich den Gottesdienst leidlich.»
    So hielt man es also damals mit der Religion – und Pepys wuchs unter Oliver Cromwell auf! Jene genannte Beschäftigung war offensichtlich eine seiner bevorzugten, wie man seinem Tagebuch entnehmen kann. Ob Kirchenschiff oder Fregatte: «Der Leutnant und ich schauten mit dem Fernglas nach den Frauen, die sich an Bord vorüberfahrender Schiffe befanden und recht ansehnlich waren.» Selbst am Arbeitsplatz ging
Peeping Pepys
seiner Neigung nach: «Bohrte im Büro ein Loch hinter meinem Stuhl in die Wand, damit ich in die große Amtsstube sehen kann.»
    Die erotischen Passagen im Tagebuch des großen Pepys, verschlüsselt in einem durchsichtigen Sprachenmix aus Latein, Italienisch, Französisch und Holländisch – «aber elle ne voulait pas, was mich ärgerte» –, präsentieren einen Mann nicht ganz ohne nationale Vorurteile. Die Leserinnen mögen im folgenden bitte das Wort «trotzdem» ignorieren:
    Mittagessen im ‹ Delphin › mit Kapitän Cooke und seiner Frau, einer Deutschen, die trotzdem sehr schön ist.
    Ja, es ist derselbe Captain Cooke, der ihm öfter «betrunken wie eine Haubitze» begegnet, eine ziemliche Last in diesem Zustand, «aber immer angenehm». Was die nationalen Vorurteile betrifft, da hatten es sogar die Frauen des Erzfeindes leichter: «Abends vergnügte ich mich, Gott verzeih’s, durch die Kraft der Phantasie mit der jungen Señora, die heute mit uns zu Mittag gegessen hat.»
    Dabei war Pepys glücklich verheiratet, auch wenn er seine Frau betrog und die Rahmendaten nicht mehr genau im Kopf hatte. «Heute ist mein Hochzeitstag, der wievielte, kann ich nicht sagen, meine Frau behauptet, der zehnte.» Spannungen gab es vor allem, was ihre Modeinteressen betraf. «Sah neumodische Unterröcke aus Seide, sehr hübsch, meine Frau möchte so einen haben, aber wir kauften keinen.» Ein Jahr später klingt es schon verdächtig anders:
    Sie wünscht sich einen neuen Unterrock, mit seidenen Streifen. Sofort zur Paternoster Row gegangen und den besten gekauft, den ich finden konnte, und einen viel schöneren, als sie wünscht und erwartet.
    Ob da jemand ein schlechtes Gewissen hat? Lesen wir weiter in Pepys’ intimem Tagebuch, das er 1669 – anderthalb Jahre nachdem seine Frau ihn mit dem Dienstmädchen erwischt hatte – abbrach, weil er glaubte, er würde erblinden.
    Nach Westminster Hall, wo mich Mrs. Lane am Mantel zupft. Ich ging mit ihr in ihren Laden, und sie machte alles, was ich wollte, bat mich aber, ihrem Mann zu helfen. Sie ist schon ziemlich schwanger und sagt, ich soll Pate des Kindes werden, ich will aber nicht.
    Wenn Pepys’ Tagebuch den Ruhm so vieler anderer überstrahlt, liegt es vor allem daran, daß es so unverstellt ehrlich ist und so reich an komischen Details. Wo sonst erführe man von dem merkwürdig gehemmten Tag eines seiner Kollegen?
    Mr. Townsend erzählte mir von seinem Mißgeschick, daß er nämlich kürzlich mit beiden Beinen durch ein Hosenbein gestiegen und so den ganzen Tag herumgelaufen ist.
    Tja, dumm gelaufen, in der Tat, auch wenn man den weiten Hosenschnitt der Zeit kennt – aber es gibt Schlimmeres, etwa einen mißglückten Theaterbesuch:
    Heute enden meine Gelübde betreffs Wein und Theater. So beschloß ich, mir eine Freiheit zu gönnen, bevor ich wieder damit beginne. Ging deshalb ins King’s Theatre, wo «Ein Sommernachtstraum» gespielt wurde, ein Stück, das ich noch nicht gesehen habe und auch nie wieder sehen werde, denn es ist das geschmackloseste, lächerlichste Zeug,

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