»Cleo schwänzt nie, und ich eigentlich auch nicht. Es war eine Ainer Fashion Week besorgt, was sie aber offenbar schon jetzt bedauert.
»Ich weiß gar nicht, warum ich mir das antue!«, murmelt Frau Bergmann vor sich hin, während sie mit quietschenden Reifen durch die Stadt braust. Laut sagt sie: »Ich hoffe, dass Cleo nicht auch schwänzt!« Sie wirft Pia einen forschenden Blick im Rückspiegel zu.
»Cleo schwänzt nie!«, sagt Pia, und das ist fast die ganze Wahrheit, denn die Bauchschmerzen, die Cleo häufig überfallen, wenn Sport auf dem Stundenplan steht, sind meistens erfunden. Aber die Lehrer würden nie vermuten, dass Cleo sie vortäuscht, denn erstens sieht Cleo superbrav aus und zweitens ist ihr Vater Lehrer an der Schule.
»Das will ich ihr auch geraten haben. Und du, sieh dich vor, Fräulein. Wenn ich höre, dass Cleo auch nur einmal den Unterricht schwänzt, dann warst du die längste Zeit ihre Freundin. Und Leon kannst du dann auch vergessen. Dafür werde ich sorgen!«
Pia schweigt.
»Haben wir uns verstanden?« Wenn Blicke töten könnten, läge Pia jetzt durchbohrt auf dem Rücksitz.
»Cleo schwänzt nie, und ich eigentlich auch nicht. Es war eine Ausnahme heute«, sagt sie und hofft, dass Frau Bergmann nicht spürt, wie wütend sie inzwischen ist.
»Das will ich hoffen! Und alles wegen so einem blöden Schloss. Glaubst du wirklich, es verlängert eine Beziehung? Ein kluger Mann hat mal gesagt: ›Liebe ist kein Solo. Liebe ist ein Duett. Schwindet sie bei einem, verstummt das Lied.‹ Soll heißen: Wenn die Luft raus ist, nutzt auch ein Schloss nichts. Glaub mir, ich spreche aus Erfahrung. Und Leon sollte es auch besser wissen. Schließlich hat er erst gerade eine gescheiterte Beziehung hinter sich.«
Pia zuckt zusammen. Davon weiß sie nichts, auch wenn sie nicht angenommen hat, dass sie seine erste Freundin ist. Leon ist schließlich schon neunzehn. Aber vielleicht hat Frau Bergmann sich das auch nur ausgedacht, um sie zu verletzen.
Pia spürt, dass Frau Bergmann sie nicht mag und wahrscheinlich nie mögen wird, wenn nicht ein Wunder geschieht. Aber an Wunder glaubt Pia nicht. Vielleicht hätte sie eine Chance gehabt, wenn sie bei ihrer ersten Begegnung in der großen Villa am Rande der Stadt auf High Heels ins Wohnzimmer stolziert wäre.
Frau Bergmann sieht immer so stylisch aus, als wäre sie geradewegs aus ihrem Modejournal gefallen, trägt nur Schuhe mit hohem Absatz und beurteilt auch andere Frauen nach der Höhe ihrer Absätze.
en, wenn es nicht Cleos Wunund nach gelernt, und da war es schon zu spät. Vor sechs Monaten jedenfalls stand sie da in ihren ausgefransten Jeans und dem engen, knallroten T-Shirt, das so gar nicht zu ihren roten Haaren passte. Pia sucht sich ihre Kleidung nach Bauchgefühl aus und nicht danach, ob etwas zusammenpasst. Und an dem Tag war ihr nach Knallrot zumute gewesen. Was die anderen darüber denken, ist Pia immer egal gewesen. Bis zu diesem Tag. Sie spürte die Blicke von Cleos Mutter wie Nadelstiche auf ihrer Haut.
»Das ist Pia, meine allerbeste Freundin!«, hatte Cleo sie vorgestellt.
»Hmhmm!«, machte Cleos Mutter, musterte sie von oben bis unten und schaute wieder auf ihre Zeitschrift. »Du solltest dieses T-Shirt in die Altkleidersammlung geben. Es beißt sich mit deinen roten Haaren«, sagte sie über die Schulter geworfen. Seitdem ignorierte sie Pia, so gut es ging, und hoffte wohl jeden Tag, dass Cleo die Freundschaft zu Pia beendete.
Bislang vergebens.
Blicke erneut auf ihrer Haut.
»Und kämm dich noch mal. Du siehst total verwuselt aus. Na, immerhin hat dein Hut das Schlimmste verhindert. Da hinten in der Seitentasche müssten noch eine Bürste und ein Taschenspiegel sein.«