Heute morgen und fuer immer - Roman
Mutter ist bereits länger auf Brautschau, aber Benedikt Steiniger soll es werden, die Familien seien sich zumindest einig, hört man.«
Helene schüttelte sich angewidert.
»Das ist ja wie früher bei Hofe, wo nach Ländern verheiratet wurde oder danach, wer die frischesten Gene in die Familie einbringt. Also diesen Schleim-Steiniger würde ich nicht mal anfassen, wenn mir jemand liquid Ecstasy ins Glas gemischt hätte!«
Das war eine Vorlage, die ich natürlich nicht unbeantwortet lassen konnte.
»Ah ja? Und wen genau würdest du auf liquid Ecstasy anfassen? Wer wäre denn dein Typ?«
Helene zog genervt die Mundwinkel auseinander.
»Netter Versuch, Schwesterlein!«
Na gut, sie war einfach noch zu nüchtern ... aber apropos liquid Ecstasy ... benutzte das amerikanische Militär nicht diese Wahrheitsdroge? Wo hatte ich das bloß gesehen? Bei James Bond? Wo kam man wohl an das Zeug ran, ob es auffiel oder sogar strafbar war, im Internet danach zu suchen? Wenn Helene in diesem Jahr nicht das Geheimnis um Maxis Vater lüftete, würde ich meine Nachforschungen mithilfe dieser Wahrheitsdroge vertiefen. Maxis ausgiebiges Gähnen unterbrach jäh meine 007- Pläne, ich sah auf die Uhr, es war nach Mitternacht, und langsam machten sich auch bei mir Erschöpfung und Müdigkeit breit. So war das meistens nach einem Konzert. Erst der Adrenalinrausch, dann Freude und Erschöpfung, und manchmal schlichen sich Leere und Einsamkeit ein. Aber nicht heute, heute war ich einfach nur entspannt. Gerade wollte ich Jasper zum Aufbruch drängen, als Omi verschwörerisch zu mir herüberblinzelte.
»Für euch Turteltäubchen habe ich eine Überraschung, ich habe euch Zimmer 8 frei gehalten!«
Zimmer 8 war das schönste und größte Zimmer im Waldhaus, eine Art Suite mit Fischgrätenparkett, eigenem Kamin, Blick auf den Englischen Garten und einem wunderschönen geschwungenen Messingbett.
Ich juchzte und fiel Omi um den Hals.
»Danke! In Zimmer 8 habe ich das letzte Mal geschlafen, als ich meine Meisterprüfung bestanden habe. Am Morgen habt ihr mir sogar Frühstück ans Bett gebracht!«
Omi drückte mich fest an sich und kicherte.
»Ja, aber das Frühstück willst du morgen bestimmt nicht ans Bett, wenn so ein schmucker junger Mann darin liegt, oder?«
Auweia, die Stimmung stieg, das Niveau sank, nichts wie ins Bett, bevor es noch schlüpfrig wurde!
Kapitel 2
Blutsbrüder
»Wir sind hier drüben, bei den Kürbissen!«, rief Jasper und gab mir wild mit den Armen wedelnd Zeichen. Mein Herz rutschte mir in die Hose, nicht weil ich Angst vor Gemüse hatte, nein, die Kürbisse waren lauter kleine Knirpse. Wir befanden uns an der Maria Hilf Grundschule, wo an diesem Tag das alljährliche Herbstfest stattfand. Mein erhöhter Puls war darauf zurückzuführen, dass ich im Begriff war, Jaspers Familie zu treffen. Zum ersten Mal! Ein großer Moment und ein ungewöhnliches Ambiente, aber Jaspers Nichte Nele gab mit ihrer Klasse ein Erntedankfest-Theaterstück zum Besten. Nele spielte einen der Kürbisse, was die gesamte Familie bewundern wollte. Jasper umarmte mich, nahm mich an die Hand und führte mich zu seinen Eltern.
»Das ist Clara!«, seine Augen leuchteten vor Stolz, als er mich vorstellte.
»Ich bin Ulrike, und das ist mein Mann Georg!«
Georg winkte hinter einer Videokamera hervor, die er für Neles großen Auftritt versuchte, zum Laufen zu bekommen. Ulrike war eine attraktive Frau Anfang sechzig mit kurzem dunklem Haar. Sie hatte kluge Augen und die richtige Sorte Falten, also keine hängenden Mundwinkel, sondern kleine sympathische Lachfalten und ein paar interessante Denkfalten. Wenn ich Menschen und ihre Gesichter betrachtete, musste ich oft an Albert Schweitzer denken, der einmal gesagt hatte: »Mit zwanzig hat jeder das Gesicht, das Gott ihm gab, mit vierzig das Gesicht, das das Leben ihm gab, und mit sechzig das Gesicht, das er verdient!« Georg, Jaspers Vater, war früher bestimmt ein richtig gut aussehender Mann gewesen, heute trug er ein gemütliches Bäuchlein, seine grauen Haare waren merklich ausgedünnt, aber sein Blick war wach und herzlich. Man sah ihm an, dass er ein Genießer war.
»Freut mich, wir haben schon viel von dir gehört. Ulrike hat sogar zwei deiner CDs. Beethoven und Chopin, glaube ich. Jasper hat uns erst eine feste Freundin vor dir vorgestellt und das war,, mit achtzehn! Du musst ihn also schwer beeindruckt haben«, legte Georg fröhlich los, unbeeindruckt von Ulrikes dezentem Tritt vors
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