Heute morgen und fuer immer - Roman
Freudensprüngen zurückhaltend.
»Erst den Bären erlegen und dann das Fell verteilen«, pflegte mein Papa zu sagen. Auf alle Fälle wollte ich diesen Job unbedingt, denn das dauernde Reisen und das Aus-dem-Koffer-Leben hatte ich gründlich satt! Inzwischen kannte ich jeden Flughafen auf der Welt, grüßte die Sicherheitsbeamten beim Check-in mit Vornamen und traute mir zu, sofort für eine Stewardess einzuspringen, falls Not am Mann wäre.
»Tee oder Kaffee? Den Tomatensaft mit Salz und Pfeffer?«
Wie oft war ich auf diesen Reisen einsam gewesen, wie sehr hatte ich Omi, Helene, Maxi und meine Freunde vermisst. Beziehungen hielt mein Job sowieso nicht aus, zum einen war ich einfach nie da, um auch mal Alltägliches zu teilen, und wenn ich da war, gab ich oft ein Konzert, bei dem ich dann im Mittelpunkt stand und zusätzlichen Verpflichtungen nachkommen musste. Dabei war ich keineswegs eine der Pianistinnen, die des Applauses wegen spielten. Das war ein willkommener Nebeneffekt. Nein, der Grund, weshalb ich all diese Strapazen, stundenlanges Üben, Reisen, Jetlag, zerbrochene Beziehungen und Heimweh auf mich genommen hatte, war schlichtweg die Liebe zur Musik und dass ich sonst keine sonderliche Begabung in einem anderen Bereich vorweisen konnte. Außerdem verdiente ich gutes Geld, mit dem ich Omi und das Waldhaus unterstützen und damit etwas zurückgeben konnte. Nie würde sie mich die Opfer spüren lassen, die sie für meine Ausbildung gebracht hatte, alles an ihr hatte eine gewisse Leichtigkeit, und nur zu gut konnte ich mir vorstellen, wie sie damals vor dem Abi nach Paris durchgebrannt war, mit diesem glutäugigen Franzosen, der ihr die Stadt der Liebe zeigen wollte. Passend zum Thema Liebe kam gerade Hubertus, die gute Seele des Hauses, um Getränkenachschub zu bringen. Er war deutlich jünger als Omi, arbeitete als Concierge und war außerdem verantwortlich für die Veranstaltungen im Haus. Er hatte ausgezeichnete Manieren, ein gepflegtes Äußeres und kam überhaupt nicht damit zurecht, dass Omi ihn unverfroren anflirtete und ihm ab und zu den Allerwertesten tätschelte. Auch jetzt wieder: »Wie aufmerksam, wie kann ich mich für deine Nachsicht nur bedanken?«
Bevor Hubertus antworten konnte, drückte sie ihm auch schon einen Kuss auf die Wange und kicherte fröhlich los. Hubertus räusperte sich verlegen und zog sich errötend zurück.
»Erklär mir das mit der Stelle bitte noch mal! Ich hab das noch nicht genau verstanden!«
Omi pflanzte mich in einen der gemütlichen Ohrensessel am Kamin, den Hubertus vorsorglich bei den herbstlichen Temperaturen eingeheizt hatte, und sah mich aufmerksam an.
»Die Richter Hochschule sucht für das kommende Semester einen neuen Dozenten, der die Meisterschüler unterrichten kann. Das ist ein sehr begehrter und lukrativer Job, der meistens auf Lebenszeit vergeben wird. Gleichzeitig bekommt man durch die Stelle ein festes Engagement in München und spielt dadurch fast alle Konzerte vor Ort. Da ich während meines Studiums Pädagogik belegt habe, sind meine Chancen für die Stelle ziemlich gut. Allerdings hat sich Amelie überraschend auch auf die Stelle beworben!«
Beim Namen »Amelie« zuckten alle zusammen.
»Wieso will die denn sesshaft werden? Ich kann mich genau an eines ihrer affigen Interviews erinnern, indem sie großkotzig von sich gab: ›Paris, New York, Tokio, ich bin in der Welt zu Hause. Ich brauche diese Reisen in andere Kulturen, als Kosmopolitin engt mich Deutschland ein!‹« Helene äffte Amelie perfekt nach, sie hatte aber auch jahrelang Zeit gehabt, sie genau zu studieren. Auch wenn diese Konzertwelt so gar nicht die meiner Familie war, zeigten sie sich stets interessiert. Und solange ich nach wie vor zum Kegeln mitkam und lieber in den Biergarten anstatt ins Sternerestaurant ging, war alles in Ordnung.
»Ich habe von einer Kollegin gehört, dass Amelie von ihrer Mutter verkuppelt werden soll. Angeblich mit Benedikt Steiniger!«, ließ ich die Katze aus dem Sack.
Jasper lachte erstaunt.
»Meinst du den Benedikt Steiniger, der für den Stadtrat kandidiert? Der Sohn des ehemaligen Vorstands von Schickl, Jurist und Burschenschaftsvorsitzender? Der mit der Schleimtolle und dem Teiltoupet auf dem Kopf?«
Ich nickte.
»Genau der Benedikt Steiniger, der seine Mutter seine engste Vertraute und beste Freundin nennt und in seinem Leben genau auf einer Demo war, und die war FÜR die Fuchsjagd. Er ist das, was man eine gute Partie nennt. Amelies
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