Heute morgen und fuer immer - Roman
Schleimiger und Amelie, was man auch an den Kommentaren und Posts unter dem Clip sehen konnte. Valentin, Helene und ich erfuhren breite Unterstützung, während Schleimiger und Amelie überhaupt nicht gut wegkamen.
»Das ist das Ende seiner politischen Karriere, so viel ist sicher!«, schätzte meine Omi die Lage ein und schien nicht traurig darüber. Die alles entscheidende Frage war, wer der Presse wohl das Video zugespielt hatte. Einige kamen in Frage, eigentlich alle, die gefilmt hatten, aber ob wir das je rausfinden würden? Valentins Handy vibrierte, und auch ich schaute auf mein Handy, das sage und schreibe dreiundzwanzig verpasste Anrufe zählte! Die Geschichte schien sich schnell herumzusprechen. Valentin blickte auf sein Display, schaute zu mir herüber und sagte kurz: »Jasper!«, nahm ab und ging weg, um in Ruhe sprechen zu können. Kopfschüttelnd kam er nach gut zehn Minuten wieder.
»Das glaubt ihr nicht. Jasper hat einen Anruf von Schleimigers Berater bekommen, der ihm zwanzigtausend Euro geboten hat, wenn er ein Interview gibt, in dem er über Clara und mich herzieht, um zu demonstrieren, was für moralisch verwahrloste Gestalten wir seien, um Schleimigers Prügelei zu rechtfertigen!«
Ja, da hatten sie nicht mit Jasper und Valentin gerechnet. Blut war eben dicker als Wasser, und die beiden verstanden sich wieder gut und waren enger denn je. Mit mir und Jasper war es im Umgang manchmal noch hölzern, aber so langsam entspannte sich die Lage, was auch daran lag, dass Jasper es in vollen Zügen genoss, neue Frauen kennenzulernen und einige Liebschaften zu haben. Diese Phase der Eroberung, der Rausch der ersten Verliebtheit, in der man lauter verrückte Dinge tat, interessierten Jasper einfach mehr als eine langfristige Beziehung, die auch mal anstrengende oder langweilige Phasen mit sich brachte. Nicht jeder war für den konventionellen Weg einer Beziehung gemacht, und Jasper wurde es immer klarer, dass er sich in mich, aber vor allem in eine Idee verliebt hatte. Trotz allem bereute ich unsere gemeinsame Zeit nicht, und ich wusste, dass Jasper inzwischen die Erfahrung und was er daraus mitgenommen hatte, zu schätzen begann.
So früh war ich seit Langem nicht mehr freiwillig aufgestanden. Schlag halb sieben standen wir alle in der Küche des Waldhauses, um uns aufzuteilen. Helene wollte ausschwärmen und nach Zeitungen schauen, Valentin bewachte den Fernseher mit BR-Nachrichten und sonstigen Nachrichtensendern, ich schaute gemeinsam mit Nele, die bei uns im Waldhaus übernachtet hatte, im Internet, und Omi hörte Radio. Unfassbar, aber die Geschichte war einfach überall, auf youtube gab es bereits Clips, in denen die Rocky-Musik unterlegt war, irgendein Boxer forderte Schleimiger zum Kampf, und auch Amelie bekam ihr Fett ab. Es dauerte nicht lange, um die Mittagszeit gab der Parteisprecher bekannt, dass Benedikt Reimiger aus persönlichen Gründen seine Kandidatur zurückziehen wollte. Nur eine Woche später war zu lesen, dass Amelie die Verlobung mit Schleimiger gelöst und ein Gastengagement in Sydney angenommen habe, da konnte sie ja endlich wieder das machen, was sie am besten konnte: Kosmopolitin sein ... Valentin, der durch das Video zu unfreiwilligem Ruhm gelangt war, hatte nicht durch München gehen können, ohne erkannt zu werden, was ihm mehr als unangenehm war. Zwar klopften ihm die meisten anerkennend auf die Schulter, aber eigentlich war das so gar nicht sein Stil, und Verbrüderungen dieser Art waren ihm zuwider, sodass er sehr froh war, als sich die Aufregung langsam legte und die Geschichte in Vergessenheit geriet. Grund für uns, endlich mal wieder zu entspannen und abzutauchen. Fürs Wochenende war Nele mit ihren Freundinnen auf einer Reiterhoffreizeit untergebracht, sodass wir auf die Hütte fahren konnten. Eddie blieb bei Omi. Tat das gut, den Aufstieg nur mit einem Rucksack und keinem Cello auf dem Rücken zu begehen. Die Natur hatte sich im Vergleich zum letzten Besuch immens verändert, überall war sattes Grün zu sehen, Gräser und Bergblumen blühten idyllisch vor sich hin. Die Laubbäume trugen grüne Blätter, die Nadelbäume ein saftiges Grün, überall hörten wir Vögel und Spechte, die eifrig ins Holz hackten, das Summen von fleißigen Bienen und eben die gesunde, klare, nach Nadeln und Wiesen riechende Bergluft, die Hunger machte und rosige Wangen. Das hier würde unsere Insel werden, eine Oase der Stille. Was zwar wie eine Werbung klang, was aber nichts machte,
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