Heute morgen und fuer immer - Roman
Zuhause schaffen. Es gab einige, die seit Jahren kamen und dem Waldhaus die Treue hielten. In den letzten zwei Jahren allerdings mutierte der Hotelbetrieb zu einem Fass ohne Boden, ein reines Zuschussgeschäft. Nicht selten landeten fast meine gesamte Gage und immer wieder Teile meiner Ersparnisse im Waldhaus; ich konnte nicht anders: Es war das Vermächtnis meiner Eltern, meine Kindheit, mein Zuhause. Ich war mir nicht sicher, woran es lag, ob es die immer wieder anfallenden Renovierungen waren oder ob Omi langsam den Überblick verlor. Dabei gab es so vieles, was dringend modernisiert werden müsste. Auch ein Anbau und eine kleine Wellnessoase wären wichtige Investitionen, wenn wir konkurrenzfähig bleiben wollten. Heute Abend mochte ich aber nicht länger darüber nachdenken, sondern feiern! Da es aufgrund meiner vielen Reisen in den letzten Jahren keinen Sinn gemacht hätte, eine Wohnung in München zu mieten, wohnte ich immer im Waldhaus bei Omi, wenn ich da war. Das wollte ich jetzt ändern und war auf Wohnungssuche, denn sosehr ich Omi und das Hotel liebte, ich brauchte endlich einmal mein eigenes Reich, nicht zuletzt Jasper wegen. Er war heute zum ersten Mal im Waldhaus - bislang hatten wir uns immer in seiner Wohnung getroffen - und rief hingerissen: »Dass es so ein Hotel heutzutage noch gibt, entgegen jeder amerikanisierten gleich gemachten Hotelkette! So persönlich, liebevoll und voller Geschichte! Vor allem so geschmackvoll eingerichtet! Mich wundert es, dass das nicht viel bekannter in München ist, allein wegen der Lage!« Er kam aus dem Schwärmen gar nicht mehr raus, was ihm ein paar Pluspunkte mehr bei Omi und Helene einbrachte, deren Herzen ebenso am Waldhaus hingen wie meins.
»Folgt mir!«
Omi ging mit forschem Schritt in den privaten Bereich, wo sie im eleganten Salon ein kleines Büfett mit selbst belegten Broten, Nudelsalat und meinem Lieblingskäsekuchen aufgestellt hatte. Zur Feier des Tages gab es ausnahmsweise sogar Champagner, wofür ich ihr einen strafenden Blick zuwarf.
»Sekt oder Prosecco hätten es allemal getan, du weißt, dass ich den Unterschied kaum schmecke!«
Omi winkte ab.
»So ein Quatsch, nachdem du jahrelang durch die Welt getingelt bist, hast du endlich wieder in München gespielt! Außerdem, wo du jetzt sesshaft wirst, da darf es auch Champagner sein!«
Omi reichte uns allen ein Glas.
»Auf Clara und darauf, dass es mit der Stelle am Richter Konservatorium klappt!«
Darauf stieß ich gern an.
»Das gefällt mir mit dem Sesshaftwerden«, flüsterte mir Jasper ins Ohr. »Konnte ich mir bislang nicht vorstellen, aber mit dir schon ... selbst Kinder wären drin!«
Schön, das zu hören, wäre langsam auch mal an der Zeit. Mit meinen Anfang dreißig waren Kinder für mich das zentrale Thema, denn dass ich Familie wollte, stand außer Frage. Am liebsten gleich drei! Jasper kannte ich zwar noch nicht so lange, und ob er, der Künstler, der so sehr Routine und normales Leben hasste, sich wirklich als Familienvater eignen würde, musste ich sehen, aber wer weiß, vielleicht waren ja gerade seine verrückten Ideen, seine Wärme und sein Enthusiasmus gut für Kinder. Spießig würden sie auf alle Fälle nicht aufwachsen.
»Wann hast du denn dein Vorstellungsgespräch bei Professor Bruckner?«
Helene konnte kaum erwarten, dass der Bewerbungsprozess losging und es besiegelte Sache war, dass ich die Stelle bekam. Der Wettbewerb war zwar groß, aber da ich persönlich vom Beirat des Konservatoriums angesprochen und empfohlen worden war, sah es gut für mich aus. Das Richter Konservatorium war eine private Hochschule, die über eine Stiftung finanziert wurde. Ende der siebziger Jahre wurde es vom Stardirigenten und Pianisten Leonhard Richter gegründet und genoss einen ausgezeichneten Ruf weit über die Landesgrenzen hinaus, was zum einen an den vielen erfolgreichen Musikern lag, die das private Konservatorium hervorbrachte, und zum anderen den vielen außergewöhnlichen Gastdozenten zu verdanken war, die ihr Know-how an die Studenten weitergaben. Das Auswahlverfahren der Studenten war, obwohl es sich um eine private Institution handelte, die einiges kostete, sehr streng. Zum Glück war München eine wohlhabende Stadt, und die Förderer der Stiftung waren spendabel, sodass pro Semester fünf Stipendien vergeben wurden, eines davon hatte ich vor vielen Jahren bekommen. Trotz der guten Voraussetzungen und Empfehlungen, was die Dozentenstelle anging, war ich mit voreiligen
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