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Heute Und in Ewigkeit

Titel: Heute Und in Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randy Susan Meyers
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war keine Heilige«, erwiderte er. »Du hast mich nicht ein einziges Mal besucht, Lulu. Nicht ein Mal. Du bist meine Tochter.«
    »Nicht mehr«, zischte ich. »Flehe Gott um Vergebung an, nicht mich. Ich kann sie dir nicht geben. Das ist nicht meine Aufgabe und wird es auch nie sein.«
    »Glaubst du nicht, dass ich die Zeit zurückdrehen würde, wenn ich könnte? Weißt du nicht, wie deine Mutter mich verfolgt? Ich habe sie geliebt, sehr sogar.« Er sank in sich zusammen. »Ob es mir leidtut? Leid reicht nicht aus, um zu beschreiben, was ich fühle.«
    Mitleid für meinen Vater zu empfinden, tat zu weh, also hielt ich mich an meiner Wut fest. Außerdem, wem galt eigentlich sein Kummer? Bereute er, dass er meine Mutter getötet hatte, oder tat er sich einfach nur selbst leid?
    »Ich will meine Familie. Uns bleiben nur noch so wenige Jahre.« Mein Vater hob ergeben die Hände. »Okay. Ich habe keinerlei Rechte, Lulu. Ich werde nicht nach Boston ziehen, wenn du es nicht willst.«
    Ich biss mir auf die Lippe, bis sie taub wurde, und kratzte NEIN , NEIN , NEIN in die weiche Haut an der Innenseite meines Arms. Dann schluckte ich und sagte schließlich: »Ich habe fünfzehntausend Dollar auf ein Bankkonto eingezahlt. Für dich, wenn du rauskommst. Damit du neu anfangen kannst. Ich werde dafür sorgen, dass du drankommst, wenn es so weit ist.«
    Für dich, Oma. Ich habe dir versprochen, mich um alles zu kümmern, und das habe ich hiermit getan.
    »Darf ich dir schreiben?«, fragte er.
    »Habe ich dich je daran hindern können?« Ich erhob mich zum Gehen, mit einem flauen, hohlen Gefühl im Magen.
    Er faltete die Hände. Mein Vater. Ein reuiger Sünder. Mein Fluch.
    Ich ging davon, blieb stehen und drehte mich noch einmal zu meinem Vater um. »Welche Farbe hatten Mamas Augen?« »Dieselbe wie deine, Lulu. Du brauchst nur in den Spiegel zu schauen.«

32
Merry: April 200 3
    eit ich den Brief von meinem Vater bekommen hatte, in dem er mir seine Entlassung ankündigte, besuchte ich ihn nicht mehr. Nachdem ich jahrelang seine treue Tochter gewesen war, seine gute Tochter, die Tochter, auf die er sich verlassen konnte, hatte ich vor sieben Monaten schlagartig damit aufgehört.
    Sein Brief hatte mich versteinert. Alles, was danach geschehen war – Victor, meine Probleme mit Lulu –, hatte mich in einen tiefen Abgrund gestürzt, aus dem ich mich erst hatte herausarbeiten müssen.
    Hier war ich nun. Wieder in Brooklyn, auf der Suche nach Vaters Haus.
    Dichte, blühende Forsythiensträucher säumten die Straße. Bensonhurst, ein Viertel von Brooklyn, in dem ich noch nie gewesen war, schien aus anderen Ziegeln gemauert zu sein als das Brooklyn meiner Kindheit. Ich war inmitten der schmuddelig rosigen Häuser von Flatbush aufgewachsen. Hier waren die Ziegel von dunklerem Rot.
    Ich hielt nach den Hausnummern Ausschau, während ich die Straße entlangging. Langsam. Ich schob den Augenblick vor mir her. Zweimal griff ich nach meinem Handy. Ich wollte von Lulu hören, dass alles in Ordnung sei und ich mir keine Sorgen zu machen brauchte, aber ich widerstand der Versuchung. Ich musste mir selbst beistehen. Lulu wusste nicht, dass ich Vater besuchen wollte, oder auch nur, dass ich Boston um sechs Uhr heute Morgen verlassen hatte. Wenn sie davon erfahren hätte, hätte sie mir die Reise ausgeredet.
    Mein Vater hatte meine Mutter ermordet.
    Im Juli würde es dreiunddreißig Jahre her sein.
    Damals war ich fünfeinhalb gewesen.
    Lulu hatte ihn nie besucht.
    Ich immer.
    Alles würde gutgehen.
    Als ich den halben Häuserblock entlanggegangen war, sah ich meinen Vater, der an einem Zaun lehnte. Ihn in Freiheit zu sehen, verblüffte mich. Es gab keine von Wärtern durchgesetzten Regeln mehr, die seine Umarmungen oder Küsse verhinderten. Unsere gemeinsame Zeit wurde nicht mehr durch auf die Minute einzuhaltende Besuchszeiten beschränkt. Mein Magen überschlug sich ein paar Mal und landete irgendwo in meinem Hals. Ich tippte mir ein paar Mal auf die Brust und gab mir die Erlaubnis, durch meinen leichten Frühlingspulli hindurch an meiner Narbe entlangzustreichen. Niemand zog mir die Finger von dem Mal, das mein Vater hinterlassen hatte.
    Vater lächelte breiter. Er nickte mehrmals und winkte, komm, na los . Ich schleppte mich vorwärts, und mein Atem zitterte im Takt meiner Schritte. Wenn mein Vater nicht draußen vor dem Haus auf mich gewartet hätte, hätte ich jetzt kehrtgemacht und wäre zu meinem Mietwagen zurückgelaufen.
    Schließlich

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