Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Heute Und in Ewigkeit

Titel: Heute Und in Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randy Susan Meyers
Vom Netzwerk:
Afroamerikaner und hatte ein so ausdrucksloses Gesicht, dass er hätte tot sein können. Ich betete darum, dass es gegen irgendeine Regel verstieß, wenn Häftlinge weinten.
    »Du bist nur gekommen, um mich zu quälen?«
    »Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass du nicht nach Boston ziehen wirst.«
    Der Gesichtsausdruck meines Vaters war nun nicht mehr verletzt, sondern streitlustig. »Du bist jetzt also dafür zuständig, wo ich lebe?«
    Damals in Brooklyn war seine Stimmung auch so schnell umgeschlagen. Dein Vater konnte sich in einer Sekunde um hundertachtzig Grad drehen , hatte Mimi Rubee oft gesagt, während sie weiße Creme in ihre Gesichtshaut einmassiert hatte, die süß nach Blumen roch und ewig glatte Haut versprach. Merry hatte da meist schon geschlafen.
    Wenn Mimi Rubee und ich zusammen unsere Serien angeschaut hatten – Verliebt in eine Hexe, Die Beverly Hillbillies –, machten wir uns bettfertig. Ich putzte mir die Zähne, und sie verscheuchte Falten. Dann unterhielten wir uns und fühlten uns sicher genug, für ein paar Minuten auf gefährliches Terrain vor zudringen, in dem Wissen, dass der Schlaf uns bald von dem Albtraum erlösen würde, in dem wir lebten.
    Hütet euch vor ihm.
    Aber er ist im Gefängnis, Mimi Rubee.
    Gefängnis hin oder her. Bis er tot ist, wird er die Hand nach euch ausstrecken. Im Grunde ist dein Vater ein schwacher Mensch, Lulu. Er ist ein Versager, der es nicht einmal geschafft hat, sich umzubringen. Schwache Männer sind die gefährlichsten, und ihr Versagen macht sie noch schlimmer. Bleib weg von ihm. Ich habe eure Mutter vor ihm gewarnt, aber sie wollte nicht hören.
    »Ich bin für gar nichts zuständig, was dich angeht«, erwiderte ich. »Aber da du vorzeitig entlassen wirst, bist du auf Bewährung. Ich werde mich ganz genau über deine Bewährungsauflagen informieren. Weißt du noch, dass ich diese Briefe für dich schreiben sollte? Wenn du nach Boston ziehst, werde ich Briefe schreiben, dass dir Hören und Sehen vergeht.«
    »Das macht mich sehr traurig«, sagte er. »Die Fähigkeit zu vergeben, ist die wichtigste Eigenschaft, die man haben kann, wusstest du das? Ich habe hier drin einige Seminare besucht. Vergebung bewirkt Heilung, Lulu.«
    »Ist auch nur ein Bruchteil davon dein Ernst, Daddy?« Das Wort war mir entschlüpft, ehe ich es mir verbeißen konnte. Der seltsame Geschmack aus der fernen Vergangenheit lag mir herb auf der Zunge.
    Er umfasste die Tischkante, beugte sich vor und schob mir das Gesicht entgegen. »Mach dich nicht über mich lustig. Schau dich nur an. Du hast mich seit der Beerdigung deiner Großmutter nicht ein einziges Mal gesehen, und als Erstes sagst du mir, ich soll mich von deiner Schwester fernhalten? Deine Schwester ist ein Engel. Ich weiß, dass die Liebe, die sie mir schenkt, auch ihr hilft. Hör zu. Ich habe das für dich auswendig gelernt.«
    Dad hob die Hand, um meinen Protest abzuwehren. Er räusperte sich, genau wie früher in Brooklyn, und begann irgendeine Gefängnisweisheit zu deklamieren. » Vergebung zu verweigern ist, als säße man im Gefängnis. Derjenige, der nicht vergeben will, ist der Eingeschlossene. Vielleicht stimmt das nicht haargenau, aber jedenfalls fast.«
    Die Form von Vaters Augen ähnelte Merrys, ebenso die langen Wimpern. An ihm wirkten sie weibisch, während sie ihr ohnehin schon zauberhaftes Gesicht schmückten. An Ruby waren die gleichen Wimpern ein weiterer, perfekter Pinselstrich der Schöpfung.
    Die Augen waren nicht die Fenster der Seele. Ich starrte in die Augen meines Vaters und wollte sie bis ganz hinten aufreißen, um nachzusehen, was davon übrig blieb. Würde es grässlich sein? Würde es aussehen wie Merrys Puppe, als das Glasauge herausgefallen war und nur ein schreckenerregendes schwarzes Loch hinterlassen hatte?
    »Wie soll ich dir vergeben, was du getan hast?«, fragte ich. »Wie konntest du dir selbst vergeben?«
    »Ich versuche, nicht mehr daran zu denken. Mit diesem Kapitel habe ich abgeschlossen. Ich war betrunken. Ich war noch fast ein Junge. Außerdem wusste ich nicht, was ich tat. Und ich habe mit meinem ganzen Leben dafür bezahlt.«
    »Nein. Mama hat bezahlt.«
    »Deine Mutter ist weg. Ich kann sie nicht zurückholen.«
    »Wo ist deine Reue, Dad? Wo ist dein Kummer?«
    »Untersteh dich. Du kennst mich nicht, Lulu.«
    »Wie denn auch? Du hast dich uns entrissen. Du hast unser ganzes Leben in Fetzen gerissen.«
    »Das macht es auch nicht richtig, aber, verdammt noch mal, deine Mutter

Weitere Kostenlose Bücher