Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Heute Und in Ewigkeit

Titel: Heute Und in Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randy Susan Meyers
Vom Netzwerk:
»Mutter zu sein, fordert unser ganzes Leben, denke ich.«
    »Oh, ich bin dran.« Ihr kirschrotes Lippenstiftlächeln enthüllte leuchtend weiße, ebenmäßige Zahnprothesen. Sie tätschelte meine Hand. »Viel Glück, meine Liebe. Haben alle unser Kreuz zu tragen, richtig?«
    Unser Kreuz. Ich berührte einen golden glitzernden Makkaroni-Ohrring, die Kinderbastelei, die Drew für die Ewigkeit lackiert hatte. Diese Männer – der Fluch unseres Lebens?
    Der Wärter sah mich stirnrunzelnd an, obwohl ich leicht zu durchsuchende Kleidung trug, nichts in den Taschen, keine engen Ärmelbündchen. Er nahm weder meine Höflichkeit noch meine rücksichtsvolle Kleidung zur Kenntnis, als verdiente niemand, der durch das Gefängnistor kam, seinen Respekt.
    Er ließ mich durch, und nun stand mir nur noch eines bevor, nämlich meinen Vater zu treffen. Ich ging durch die Tür.
    Der Besuchsraum stank nach Ammoniak und erinnerte mich an meinen Monat im Leichenschauhaus, als das Formaldehyd alles durchdrungen hatte, was ich besaß. Die Reihen von Tischen und Bänken waren fest im Boden verankert. Keine Glasscheibe schützte mich. Merry hatte mich gewarnt, dass nichts zwischen uns sein würde und dass die Leute sich hier umarmten, wenn auch nur ganz kurz. Eine quälende Vorstellung.
    Merry hatte mir versichert, dass er mich erkennen würde, weil er Fotos von mir gesehen hatte. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich ihn erkennen würde, aber ich sah ihn sofort. Er war dünner, das schwarze Haar silbrig, und die Brille hatte er vermutlich selbst gemacht, doch dieser Mann trug das Gespenst meines Vaters über seinem orangeroten Gefängnisoverall. Sein Blick war zu begierig, die Augen zu weit aufgerissen, zu hungrig nach meinem Anblick. Ich wich innerlich zurück und wünschte, Drew wäre bei mir.
    Entschlossen ging ich zu ihm hinüber, damit mir gar keine Zeit blieb, lange nachzudenken. Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Komm mir nicht zu nahe , warnte meine Geste.
    »Lulu. Oh Gott, du bist es wirklich. Als sie mir gesagt haben, dass du kommst, wollte ich es gar nicht glauben.« Er blinzelte, wischte sich dann mit dem Ärmel in Knastfarben die feuchten Augen und griff nach mir. Ich wich nicht schnell genug zurück, daher zog er mich an sich und küsste mich. Seine kratzige Wange berührte meine. Er roch nach Desinfektionsmittel, nach dem Gel, das wir in der Klinik aus großen Spendern auf die Hände pumpten. Hatte er sich eigens für mich damit eingerieben?
    »Hände!«, rief ein Wärter.
    Mein Vater trat zurück. »Man darf sich hier nicht länger als eine Sekunde umarmen.« Er lächelte. Herrgott. Seine Augen, diese Augen fraßen mich auf.
    Hör auf, mich so anzustarren.
    »Aber jetzt dauert es nicht mehr lange. Deine Schwester hat es dir doch gesagt, oder? Dass ich rauskomme?«
    Ich nickte.
    »Hast du deine Zunge verschluckt?« Er lachte. »Ist schon gut, Schätzchen. Es ist lange her. Ich verstehe schon.«
    Ja, es ist lange her, dass du Mama umgebracht hast.
    Er setzte sich und bedeutete mir, ihm gegenüber Platz zu nehmen. »Hier, meine Süße.«
    Ich setzte mich aufrecht auf die Bank ohne Lehne und faltete die Hände im Schoß.
    »Du bist doch nicht nur hergekommen, um mich anzustarren, oder?« Er schob den Kopf vor, wie er es früher getan hatte, als ich noch klein gewesen war, wenn er mir einen Witz erzählen wollte.
    »Klopf, klopf!« Mein Vater klopfte sich an die Stirn, um mich in unser altes Spiel hineinzuziehen.
    Klopf, klopf!
    Wer ist da?
    Die Türis.
    Doris wer?
    Die Tür is zu, deswegen muss ich ja klopfen!
    »Geht es Merry gut? Sie hat mich nicht angerufen und auch nicht mehr geschrieben. Ich mache mir Sorgen.« Mein Vater trommelte nervös mit den Fingern auf der hölzernen Tischplatte. »Herrgott, Lulu, bist du hergekommen, um mir schlimme Neuigkeiten zu überbringen?«
    Klopf, klopf!
    Wer ist da?
    Ich bin.
    Ich bin wer?
    Weiß ich nicht, sag du's mir!
    »Es wird Zeit, dass du Merry endlich in Ruhe lässt«, sagte ich.
    Mein Vater schüttelte den Kopf, als könne er meine Worte nicht begreifen.
    »Es ist höchste Zeit, dass sie ihr eigenes Leben lebt«, fuhr ich fort. »Du hast erst auf die eine Art versucht, es ihr zu nehmen, aber das ist dir nicht gelungen. Dann hast du es auf andere Weise geschafft.«
    »Deswegen bist du hier?« Er sah aus, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen.
    Aus den Augenwinkeln warf ich einen Blick zu dem Wärter hinüber, der uns am nächsten stand. Er war jung,

Weitere Kostenlose Bücher