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Heute Und in Ewigkeit

Titel: Heute Und in Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randy Susan Meyers
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öffnete mein Vater, offenbar ungeduldig, das Gartentor und kam mir entgegen. Ich suchte nach Spuren des Gefängnisses, die noch an ihm hafteten, etwa in seinem Gang – bewegte er sich wie ein Mann, der ständig beobachtet wird? Wirkte er nervös, als sei zu viel freier Raum um ihn herum? Doch ich sah bloß einen halb ergrauten, immer noch muskulösen Mann mit dem sicheren Schritt eines gut aussehenden Menschen. Eine rechteckige Drahtbrille hatte die Clark-Kent-Brille ersetzt, die er im Gefängnis getragen hatte. Sie wirkte eigenartig modisch, ebenso das weiße Hemd, das nach Gap aussah und in einer beigefarbenen Hose steckte.
    Oma Zelda hatte immer gesagt, mein Vater sei ein Modegeck.
    »Baby«, sagte Dad leise. »Meine Süße.« Er zog mich an sich und nahm mich fest in den Arm.
    Du musst die Umarmung erwidern, los , drängte ich mich selbst. Ich schlang einen Arm um ihn und zwang ihn, die starre Säule festzuhalten, zu der ich geworden war. Er presste mir den anderen starren Arm an die Rippen.
    »Na«, sagte er. »Schau mal einer an. Da bist du ja.« Er ließ eine Hand an meinem Ellbogen ruhen, als er die Umarmung endlich aufgab.
    »Hübsches Haus.« Ich deutete auf das gewöhnliche Zweifamilienhaus, damit mein Arm irgendetwas anderes zu tun hatte, als ihn zu umschlingen.
    Er strahlte. »Ich mache mich ganz gut, hm? Komm rein.« Er wies mit dem Kinn auf die Büsche. »Forsythien. Brooklyns offizielle Blüten.«
    »Das wusste ich nicht.« Meine Worte fühlten sich klobig an, irgendwie zu groß für meine Zunge.
    »Die Wohnung, die ich hier habe, ist nicht schlecht. Na ja, du wirst sie ja gleich sehen. Sie ist klein. Im Souterrain. Kleines Apartment. Aber, he, man muss schließlich irgendwo anfangen.« Er führte mich durch den Vorgarten zum Seiteneingang, öffnete die Fliegengittertür und bedeutete mir vorzugehen. »Links die Treppe runter.«
    Ein dünner Läufer bedeckte die ausgetretenen Stufen nach unten.
    »Nur zu«, sagte er. »Geh ruhig rein.«
    Ich öffnete die Tür und stand in einer peinlich sauberen Küche.
    »Ich habe sie möbliert gemietet, aber die Sachen sind nicht schlecht. Zumindest fürs Erste.«
    »Die Sachen sind bestimmt sehr gut, Dad.« Mein Kiefer musste dringend geölt werden. Ich war plötzlich eingerostet wie der Blechmann.
    Schwarze Tischsets lagen akkurat auf einem grau gemaserten Resopaltisch. An jeder Kante war ein Stuhl haargenau in der Mitte unter den Tisch geschoben. Runde Messingnieten hielten rote Lederpolster an den metallenen Stuhlrahmen fest. Weiß emaillierte Küchenschränke hingen über einer gesprungenen Keramikspüle. Der Kühlschrank sah aus, als könnte darin noch ein Eisblock für Kälte sorgen. Ich war durch ein Loch in die Vergangenheit gefallen.
    »Hier geht es weiter.« Dad deutete stolz auf eine Tür und ging voran. Auf dem zerschrammten Parkett im Wohn-Schlaf-Zimmer lagen dünne Teppiche. Er hatte ein Zweiersofa mit Tweedbezug und einen Sessel haargenau rechtwinklig aufgestellt. In der Ecke standen ein Schreibtisch und eine Kommode ebenfalls schnurgerade, mit einem alten Schrankkoffer dazwischen. Van Goghs Sonnenblumen hingen in einem gelben Plastikrahmen an der Wand.
    »Die Möbel habe ich so übernommen«, erinnerte er mich. »Aber das Bild und die Truhe habe ich gekauft.«
    »Du hältst die Wohnung sehr ordentlich.«
    »Gewohnheit. Wenn in meiner Zelle irgendwas nicht am rechten Platz war, hat mich das verrückt gemacht.« Er räusperte sich und wechselte das Thema. »Bald will ich die Böden überarbeiten.«
    Er zeigte mir noch das kleine Bad mit Wanne und Waschbecken in verblasstem Rosa und mit demselben Linoleum mit den geprägten Röschen, das auch in der Küche lag. Seife, Zahnpasta und ein grüner Plastikbecher waren auf dem Rand des makellos sauberen Waschbeckens aufgereiht.
    Ich bewunderte ausgiebig die winzige Speisekammer mit Fertigsuppen, Fruit Loops und Thunfischdosen, ehe wir wieder in die Küche gingen.
    »Setz dich«, sagte er. »Jetzt gibt es Mittagessen.«
    Vorsichtig berührte ich das Tischset vor mir mit der Fingerspitze und spürte, wie neu es war. Ich war sicher, dass ich es als Erste benutzte, dass ich der erste Gast meines Vaters war. Er stellte zwei Glasteller auf den Tisch, weiß mit schmalem blauen Rand, dazu passende Tassen und Untertassen. »Möchtest du Kaffee? Etwas Stärkeres darf ich nicht im Haus haben. Auflagen.«
    Ich nickte, als wären häusliche Auflagen das Normalste auf der Welt. »Ich trinke gern Kaffee.

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