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Hexen: Vier historische Romane (German Edition)

Hexen: Vier historische Romane (German Edition)

Titel: Hexen: Vier historische Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roswitha Hedrun
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Hellsehen ist nicht teuflisch - eine Aufgabe übernehmen . . Vorsicht, dieses zusätzliche wirre Prickeln unter der Schädeldecke kündete die Flucht meines überforderten Intellekts an. Dem musste ich entgegen wirken. Dazu entspannte ich mich, was mir in solchen Situationen erfahrungsgemäß half. Langsam schritt ich in meiner Stube auf und ab, wobei ich tief durchatmete - ein, aus, wieder ein und wieder aus. Mehrere Male. Ganz konzentriert.
Allmählich beruhigten sich meine Gedanken. Und nach weiteren tiefen Atemzügen trat ich ans Fenster und beobachtete durch die Butzenscheiben den ersten scheuen Schneefall dieses Jahres. Laut- und schwerelos tänzelten die Flocken durch die Luft und breiteten sich dann, eine neben der anderen, wie eine Schutzdecke über die vor mir liegenden Kräuterbeete aus. Ein besänftigender Anblick, bei dem ich unversehens ins Sinnieren geriet. - Einen Aufgabenbereich übernehmen. Vielleicht ein kleines Kräuterbeet bearbeiten, überlegte ich, ob das aber die peniblen Gärtnernonnen zuließen? Herrgott, Tora, trau dir endlich mehr zu, Tante Anna tut es schließlich auch. - Gut, Handreichungen im Labor könnte ich den Apothekerinnen erbringen. Oder noch besser, in der Küche helfen, dort reizte mich das morgendliche Ernten von Gemüse, Salat und Küchenkräutern, bei dem ich die Meisterköchin Gerlinde häufig beobachtet hatte. Außerdem lag das flache Küchen- mit daneben seinem Vorratshaus keine hundert Schritt von der vorderen Klosterpforte entfernt, durch das so oft die Händler mit ihren Fuhrwerken eingefahren kamen. Ob ich dann doch mal einen Händler ansprechen . . Bei dem Gedanken übermannte mich augenblicklich mein Unternehmungsdrang, er drohte, meinen Verstand erneut außer Kontrolle zu setzen, weshalb ich diesen unsinnigen Gedanken rasch verwarf und mich wieder dem Anblick des Schneeflockenfalls hingab. Mit Erfolg, mein Zustand festigte sich.
Oh, dieser unberechenbare Verstand. Ob er jemals lernt, ordentlich zu arbeiten? - Ruhe, Ruhe, redete ich mir zu und nahm mir vor, mir für meine Entscheidung ausreichend Zeit einzuräumen.

    A m nächsten Morgen, es war noch finster, verbarg ich mich neben der hinteren Eingangstür des Refektoriums in einem Holunderbusch, bis der größte Teil der Nonnen das Gebäude betreten hatte. Jetzt fehlten nur noch Magda, Cäcilie und Mechthild, die meistens die Nachhut bildeten. Wie ein Wiesel huschte ich in dieser Zwischenzeit über den langen Flur, vorbei an rechts und links den Türen und Wandfackeln, und schlupfte dann geschwind in die Abstellkammer, wo ich mich zwischen Besen und Schrubbern klein machte. Ich wusste, wie kindisch ich mich benahm, konnte mich aber nicht überwinden, mit halbnacktem Gesicht den Speiseraum zu betreten.
Bald hörte ich die drei letzten Nonnen an meiner Tür vorbei ziehen. Dann war alles still. Was sollte ich jetzt tun? Mich zurück stehlen ins Dormitorium? Das war auch keine Lösung, einmal muss ich mich schließlich doch in meiner neuen Aufmachung zeigen. Los, Tora, los jetzt! Ich stellte mich auf, legte die Hand auf die Türklinke - und so verharrte ich, unfähig, die Klinke runter zu drücken. Dann, wie eine Erlösung, vernahm ich vom Flur her Magdas Rufe nach mir. Ich wusste, mit ihrer Hilfe kann ich es schaffen, verließ die Kammer und lief ihr entgegen. Ich hatte mich nicht getäuscht, statt mich mit Vorwürfen zu überschütten, flötete Magda angesichts meines schleierfreien Kopfes: „Tora, wie entzückend mit diesem Schapel, endlich kann jeder deine weißblonde Haarpracht bewundern.“
„Ich hasse solche Bewunderungen“, erinnerte ich sie, worauf ihr blasses Gesicht zwar Enttäuschung widerspiegelte, sie mir jedoch versprach:
„Ich werde dafür sorgen, dass sich die Schwestern zurückhalten“, sie umfasste meine Schultern, „darauf kannst du dich verlassen, Kindchen. Nun komm endlich zum Frühstück, hm? Ja?“
Ich nickte und ließ mich mit zum Boden gerichtetem Blick von ihr in den von Öllampen beleuchteten Speiseraum führen.
Nachdem wir an der langen, voll besetzten Nonnentafel unsere Plätze eingenommen hatten, gelang es Magda mit wenigen Worten, die freundlich gemeinten Anerkennungen der Schwestern über mein neues Aussehen in Grenzen zu halten. So konnte ich mich bald ungehindert im Raum umblicken. Was jedoch zur Enttäuschung wurde. Zwar konnte ich nun ohne Schleier jede Nonne und jeden Gegenstand klar erkennen, doch kaum Farben hier entdecken. Bis auf das fade Braun der Eichenmöbel und der

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