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Hexen: Vier historische Romane (German Edition)

Hexen: Vier historische Romane (German Edition)

Titel: Hexen: Vier historische Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roswitha Hedrun
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Wächter und erkundigte sich so gelassen er vermochte, ob es denn etwas zu bemängeln gebe. Der Wächter erklärte ihm seine Bedenken, worauf Alphonse ihm neuerlich seinen Pass übergab: „Überzeugt Euch, Signor, offensichtlich ist Eurer Aufmerksamkeit entgangen, dass ich vierunddreißig Jahre zähle.“ Dabei griff er in seine rote Wamstasche, als wolle er ein Dokument hervorholen, das er in Wahrheit nicht besaß und fragte: „Wünscht Ihr die Vormundschaftsurkunde?“
„No, no“, wehrte der von Alphonse diskret zurechtgewiesene Wächter ab. „Und scusi, Don de Belleville, aber ich habe Euch für weitaus jünger geschätzt, als Euer Pass es ausweist. Euer Mündel darf natürlich mit Euch einreiten.“
Dazu bedurften Alphonse und Lukas keine zweite Aufforderung.

    D ie erste Hürde auf ihrer Flucht aus Tirol hatten sie soeben gemeistert, und obschon ihnen noch weitere bevorstanden, waren sie momentan nichts als erleichtert. Auch der Gedanke, in Mailand eine Ruhepause einzulegen, erquickte sie.
Allmählich lichtete sich die breite Einfallstraße, da sich die vielen Eingereisten nach und nach seitlich in die Gassen verstreuten, und bald mündete die Straße in eine freundliche Kastanienallee.
Alphonse hatte Lukas unterdessen mehrmals besorgt aus dem Augenwinkel beobachtet, und als er schließlich erkannte, dass dessen lockere Verfassung unvermindert anhielt, erkundigte er sich bei ihm auf französisch, ihrer üblichen Konversationsweise: „Sag, mon Cher, habe ich zu viel versprochen? Ist das hier nicht wahrlich ein Mai-Land?“
„Weiß Gott, ja, überall Frühlingsknospen, helle Häuser und fröhliche Gesichter.“
Nun kam ihnen eine offene Kutsche mit zwei Damen entgegen, und Alphonse konnte es nicht lassen, sich galant vor den Damen zu verneigen. Sie schenkten ihm ein Lächeln dafür. Warte, du Franzos, beschloss Lukas darauf in seiner Hochstimmung, jetzt führe ich dir vor, dass auch ein Tiroler dergleichen beherrscht. Dazu setzte er sich in lässiger Männerpose im Sattel zurecht, und als zwischen den Kastanien eine zwar schlicht gekleidete, aber auffallend hübsche Signorina daher spaziert kam, ritt er nah an ihr vorbei und lächelte zu ihr herab. Doch zu Lukas’ Entsetzen wandte die Signorina ihr Gesicht von ihm ab. Dann feixte auch noch Alphonse: „’Ne peinliche Lektion für einen Frischling.“
„Frischling! Wie du mal wieder nicht wahrhaben willst, werde ich übernächste Woche nicht achtzehn, sondern zwanzig!“
Darauf spielte Alphonse den Zerknirschten: „Pardon, war mir entfallen. Aber gestatte mir einen winzigen Rat, auch wenn ich in Wahrheit gerade Mal vierzehn Jahre älter bin als du: Das nächste Mal beginnst du bereits zu lächeln, bevor du einer Schönen ins Antlitz blickst.“
„Und warum?“
„Ah oui“, tat Alphonse geheimnisvoll, „dann nämlich rätselt sie, ob dein Lächeln wirklich ihr gilt, weshalb sie dich erwartungsvoll an- und nicht zur Seite schauen wird. Compris?“
Lukas musste lachen: „Compris, werde ich mir einbläuen.“
Nett, wie er sich bemüht, meine plötzliche Gelöstheit aufrecht zu erhalten, erkannte Lukas ihm an und dachte an ihre zurückliegenden Strapazen. Monde lang war Alphonse ihm bei den Vorbereitungen zu seiner, Lukas’, waghalsigen Flucht aus seinem immer unerträglicher gewordenen Elternhaus behilflich gewesen. Hatte sie größtenteils sogar alleine arrangiert, ungeachtet des hohen Strafmaßes, das dem Entführer eines Minderjährigen drohte. Umso mehr freute sich Lukas jetzt über seine errungene Freiheit - alle Fesseln waren abgestreift, er war in Italien!
Doch bei aller Euphorie konnte Lukas die Schmerzen in seinen nur notdürftig ausgeheilten Verletzungen, die sich überwiegend im Sitzbereich befanden, bald nicht mehr ignorieren, weshalb er den Gang seines Grauschimmels drosselte, und Alphonse passte sich diesem Schritt kommentarlos an. Inzwischen hatten sie sich vom Stadtkern entfernt, sie gerieten in das Krämerviertel. Die aneinander gedrängten Häuser wurden ärmlicher, die Gassen schmaler, und dennoch herrschte auch hier Heiterkeit. „Die Italiener, ob arm oder reich, sprühen vor Lebensfreude“, hatte Alphonse Lukas angekündigt, und hier hatte er es vor Augen. Oft standen sie, lebhaft miteinander schwatzend, gestikulierend und lachend, in Gruppen zusammen, um sie herum tollten übermütig ihre Bambini, und immer wieder stießen Alphonse und Lukas auf dicht umringte Musikanten. Es war, als spiele sich das italienische Leben

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