Hexen: Vier historische Romane (German Edition)
heraus. Bevor er die Kutsche dann wieder verschloss, nickte er noch zufrieden zu seinen ebenfalls darin deponierten zwei Ledertaschen, die prall mit den begehrten Bellwillfarben und einigen Handgeräten gefüllt waren. Wäre doch gelacht, dachte er, wenn dieser Schatz Lukas zu keinem Entr�e bei einem Florentiner Maestro verhilft!
Zur gleichen Zeit beschäftigte sich Lukas mit Alphonse. Dessen Heimat war Südfrankreich, wo er im Schloss seines Vaters, des Marquis’ de Belleville, wohnte. Lukas wusste, dass es Alphonses Reiselust war, die ihn seit jeher häufig nach Meran trieb, wo er seine einst nach dorthin gezogenen Verwandten besuchte, die nebeneinander auf dem gleichen Gelände wohnten Es waren Lukas’ Familie Rodder, wie auch Alphonses Tante und Onkel de Belleville, die gleichsam Lukas’ Großeltern waren. Zum besseren Verständnis: Alphonses Vater und Lukas’ Großvater waren Brüder. Lukas’ Vater jedoch, dem hünenhaften Meister Rodder, behagten diese Besuche nicht, er war auf den beliebten Alphonse eifersüchtig. Doch Alphonse hatte sich stets über Meister Rodders immer beleidigenderes Verhalten hinweggesetzt und seine Meraner Verwandten weiterhin mit seinen Besuchen erfreut.
Somit kannte Lukas Alphonse soweit er zurückdenken konnte, und beide waren sich seit jeher zugetan, schon, weil in ihnen das gleiche Feuer lohte, die Freude an der Kunst. Alphonse war Kunstmaler, kein professioneller und auch kein großer, doch ein begeisterter, und da er auch in Lukas frühzeitig Kunstbegabung entdeckt hatte, hatte er ihm im Laufe der Jahre alle Grundelemente des Malens beigebracht. Gegen den Willen Meister Rodders, der darüber nicht selten in Zornesflammen ausgebrochen war, zumal er Lukas mal als solide Arbeitskraft in seinem Farblabor sehen wollte.
Nicht in Vaters, sondern genau genommen in Großvaters Farblabor, berichtigte sich Lukas jetzt energisch.
Dann erinnerte er sich, wie ihm sein Großvater George de Belleville die Gründung seines Unternehmens geschildert hatte:
Nach seinem Alchimiestudium hatte George in einem Labor assistiert und war bei seinen Experimenten auf Farbherstellung gestoßen, die er letztendlich zu einer erstklassigen Qualität entwickelt hatte. Dann war sein Vater gestorben, und Georges älterer Bruder (Alphonses Vater) wurde der neue Marquis de Belleville. George selbst war wenig später mit seiner Gemahlin, seiner damals dreizehnjährigen Tochter Silke (Lukas’ heutigen Mutter) und einem ansehnlichen Erbanteil nach Meran gezogen, da die Südtiroler Berge die besten Rohstoffe für seine speziellen Farbherstellungen bargen. Dort hatte er dann außerhalb der befestigten Stadt auf einem Hügel seine Fabrikation errichtet und sie, dem Tirolerischen angepasst, Bellwillwerk genannt. Mit nur zwölf Arbeitskräften, darunter auch Labormeister Rodder, hatte er begonnen.
Daraus war bald ein ertragreiches Unternehmen geworden mit heute rund zweihundert Arbeitskräften, denn Bellwillfarben waren wegen ihrer Hochwertigkeit inzwischen über die Grenzen Österreichs hinaus begehrt.
Leiter des Werkes war nun Meister Peter Rodder, ein zwar hervorragender Labormeister, jedoch miserabler Kaufmann, was dem Unternehmen nur zum Schaden gereichen konnte. Lukas schüttelte sich kurz, denn wie stets überrieselte ihn bei dem Gedanken an seinen Vater ein Schauer. Deshalb ermahnte er sich - Schluss jetzt mit der Vergangenheit! Du hast als Lukas de Belleville eine aussichtsreiche Zukunft vor dir, jawohl, du bist nun Lukas de Belleville, angehender Kunststudent.
Ihm wurde wieder leichter. Hier in Italien soll sein neuer Lebensabschnitt beginnen. Nicht in Mailand, ihr Reiseziel war Florenz. Dort, wo sich die anerkanntesten Kunstwerkstätten befanden, will Alphonse Lukas das zukommen lassen, was ihm selbst nicht vergönnt gewesen war, die höhere Kunstausbildung. Doch es war schwer, nahezu aussichtslos, an solch einer Ausbildungsstätte Einlass zu gewinnen. Stets, wenn Lukas daran dachte, demnächst einem Maestro zur Talentprüfung seine selbst gefertigten Gemälde und Tonfiguren vorführen zu müssen, krampfte sich seine Nabelgegend zusammen.
„M einen herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!“, weckte Alphonse seinen Schützling, und kaum hatte der sich recht den Schlaf aus den Augen gerieben, zog Alphonse ihn mit sich in den Aufenthaltsraum.
Dort lag auf den Sesseln ausgebreitet ein grünseidener Adelsanzug mit Goldlitzen und breit ausgepolsterten Schultern, dazu ein weißes Seidenhemd, ein Paar vorne
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