Hexen: Vier historische Romane (German Edition)
kostete. Mit bewusst herausgekehrter Keuschheit lähmte ich ihn meist regelrecht, was Gretel, Ulrike und unser Lehrmädel Elgrin fassungslos beobachteten. Nun muss ich auch sagen, dass er sich mir gegenüber seit seinem Vergewaltigungsversuch im Stall längst nicht mehr so dreist wie vordem benahm, offensichtlich fürchtete er noch immer, ich könne Thekla oder gar seine Gattin darüber unterrichten. Dennoch musste ich mich noch häufig genug gegen ihn zur Wehr setzen. Als er mir letzthin beim Wasserschöpfen aus der Zisterne den Po getätschelt hatte, war ich zu ihm herum gefahren mit der angeblichen Klarstellung: „Das bin doch ich, Herr Schramm, nicht Eure Gattin“, worauf er verdattert zurückgewichen war und sich die neben ihm stehende Ulrike kichernd hatte zur Seite drehen müssen. Und wenn er sich wieder mit seinem unappetitlichen, zahnlückigen Mund in verbalen Schweinereien ergoss, verwirrte ich ihn oft augenblicklich mit arglosen Fragen, wie: „Was ist eine Futzi, Herr Schramm? Wir verstehen Eure komischen Wörter nie.“ Oder: „Schon wieder ganz steif? Wann geht Ihr mit diesen Beschwerden nur endlich zu einem Arzt.“
Derartige Fragen oder Bemerkungen rissen ihn stets aus seinem wollüstigen Konzept. Und da sich mir zudem Elgrin und die Mägde, so gut sie es vermochten, bald anpassten, fielen seine Frivolitäten immer unsicherer aus.
Ein allseits gelungener Anfang, der mich mehr und mehr von der Richtigkeit meines Vorgehens überzeugte, weshalb ich sein Ziel weiterhin unablässig anstrebte.
S o geschah es, dass mir allmählich auf breiter Basis nie gekannte Seelenkräfte erwuchsen. Ich wurde zur Frau.
Darüber war der Sommer ins Land gezogen und mit ihm die Hochsaison im Gasthof. Täglich wurden zwischen fünfzig und sechzig anspruchsvolle Gäste bedient, und unsere Küche hatte zusätzlich das Personal zu verköstigen.
Marlis und Jörg besuchten mich nun wieder an meinen freien Nachmittagen, wobei ich erfuhr, dass Jörg demnächst für einen speziellen Stoffeinkauf bis Halle reisen wird. Das brachte mich auf eine Idee, ich bat die Wirtin um Schreibmaterial, worauf sie mir ihre Schreibstube zur Verfügung stellte, und dort verfasste ich einen kurzen, gut überlegten Brief an Agneta von Vossenberg. Den überreichte ich dann Jörg, mit der Bitte, ihn in der Haller Poststation aufzugeben. Auf seine erstaunte Frage, warum in Halle, erklärte ich ihm: „Damit man mich dort vermutet, falls sich herausstellt, wo der Brief aufgegeben worden ist.“
Marlis hatte dennoch Bedenken, der Brief könne Schaden anrichten, doch ich beruhigte sie: „Nein, meine Liebe, ich habe ihn unter einem anderen Namen verfasst. Da Agneta jedoch meine Handschrift kennt, wird sie wissen, von wem er stammt und auch, wen sie von meinem Schreiben, das lediglich ein Lebenszeichen von mir ist, informieren soll.“
Vor allem soll Agneta natürlich Raimund benachrichtigen, sofern sie weiß, wo er zu erreichen ist. Sicher hatte er im letzten Julmond seinen Ritterschlag empfangen und gleich drauf seine wissenschaftlichen Studien wieder aufgenommen. Ob er wohl, wie vorgehabt, von Burg Runkel aus etwas über mein Elternhaus hatte ausfindig machen können? Werden wir uns jemals wiedersehen? Er würde mich womöglich nicht wiedererkennen, denn schließlich hatte sich inzwischen nicht nur meine Haarfarbe, sondern auch mein Gesicht verändert. Bei diesem Gedanken musste ich lächeln - und weiblicher werde ich jetzt obendrein.
L eider reichte die nun freundlichere Atmosphäre in der Küche nicht aus, um Ende des Heuertmonds einen Eklat zu verhindern. Eugenie, Theklas Vertreterin, geriet über eine Kleinigkeit mit Thekla in Streit. Beider Worte wurden immer hässlicher, ihre Köpfe immer roter, bis sie völlig die Kontrolle verloren und sich gegenseitig der gemeinsten Dinge bezichtigten. Zu guter Letzt stürzte Eugenie aus der Küche, mit der wütenden Erklärung, hier würde sie niemand mehr wiedersehen.
Nur eine leere Drohung? Nein, tags drauf erschien ihr Mann in der Küchentür und teilte uns mit, er habe die Wirtsleute soeben von den unerhörten Anschuldigungen der Meisterin gegen seine Frau unterrichtet und Eugenies restlichen Lohn abgeholt.
Darauf wurde Thekla nervös, wie nur sollte sie diesen Vorfall den Wirtsleuten erklären? Das wird umso unangenehmer für sie, da Frau Schramm sie ohnehin, wegen ihrer früheren Liebschaft mit ihrem Gatten, bei jeder Gelegenheit mit spitzen Bemerkungen traktierte, weshalb Thekla ihr stets möglichst
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