Hexen: Vier historische Romane (German Edition)
mir je begegnet ist.“
Als habe sich ein Knoten in mir gelöst, verzauberten mich auf dieser Feier nie gekannte Gefühle.
Es wurde fast Mitternacht, als Thekla, Fred und ich das Fest verließen. Während sie mich dann zum Gasthof begleiteten, sagte mir Thekla: „Genau diese Vergnüglichkeiten haben dir all die letzten Monde gefehlt, heute endlich bist du mal aufgeblüht. Mensch, Tora, du bist doch noch so jung, warum nur gehst du nie aus? Jedenfalls muss das heute nicht unser letzter gemeinsamer Abend gewesen sein.“
„Ja, Tora“, setzte Fred hinzu, „mach uns die Freude und begleite uns mal wieder, denn mit dir war diese Feier noch mal so schön.“
Nichts lieber als das, hätte ich am liebsten geantwortet, sagte aber nur: „Warum nicht.“
S päter in meinem Bett überlegte ich lächelnd - was hat mich nur so berauscht, das Bier, der Tanz, die Flirts? Oder gar der charmante Ortwin? Wahrscheinlich alles. Während ich dann selig einschlummerte, freute ich mich bereits auf den nächsten Tanzabend.
Der wurde ebenso vergnüglich, auch wenn ich mich diesmal nicht Thekla und Fred, sondern unserer Serviererin Gundula und ihrem Gatten angeschlossen hatte. Diesmal fand die Veranstaltung in der größten Gastsstätte Keilbergs statt.
„Bist die begehrteste Tänzerin, Tora“, stellte Gundula bald fest, worauf ich aussprach, was ich vermutete:
„Ein neues Gesicht macht neugierig, nur deshalb.“
Auch heute war Ortwin mein häufigster Tanzpartner. Wenn er mich in seinem Arm hielt und mir Komplimente zusäuselte, musste ich mich bemühen, noch die richtigen Schritte und Drehungen zu vollführen. In seinem Arm erlebte ich Zustände, wie früher niemals in den schüchternen Armen Raimunds. - Nicht an Raimund denken, keine Sehnsucht aufkommen lassen, musste ich mich mehrmals ermahnen.
Gegen Ende des Tanzabends wollte sich Ortwin für einen der nächsten Tage mit mir verabreden, doch ich erteilte ihm eine Absage, denn näher bekannt wollte ich dann doch nicht mit ihm werden.
Es folgten noch mehrere Dorfveranstaltungen, mit und ohne Tanz, an denen ich mal mit dieser, mal mit jener Kollegin und auch mal wieder mit Thekla und Fred teilnahm. Dabei lernte ich viele Keilberger etwas näher kennen, Bauern, Geschäftsleute, Hausfrauen, und Handwerker, auch den Lehrer der hiesigen Elementarschule, den Apotheker, die Hebamme und den Bürgermeister. Mit einigen führte ich oft interessante Gespräche, und stets umschwärmte mich Ortwin. Mithin öffnete sich mir nun mehr und mehr die Tür zum bürgerlichen Leben, und was ich sah gefiel mir nicht nur, es machte mich immer neugieriger. Auch wurde ich jetzt, wenn ich nachmittags mal durch Keilberg schlenderte, von vielen Menschen gegrüßt und von einigen Frauen mitunter zu einem Becher Tee, Bier oder auch Wein in ihr Haus eingeladen.
Den Abschluss des dörflichen Festreigens bildete schließlich eine übermütige Faschingsfeier, die ich mit Thekla und Fred besuchte. Und da es Thekla nie lassen konnte, mir wegen meines fortgeschrittenen Alters - sie kannte schließlich mein wahres Alter - einen Mann fürs Leben aufzuschwatzen, forschte sie auch jetzt: „Nun hast du auf all den Veranstaltungen doch wirklich genug junge Männer kennen gelernt, ist denn da kein Herzensprinz drunter?“
Nicht an Raimund denken, mahnte ich mich zum x-ten Mal und tat dann ihre Frage lässig ab: „Ach Thekla, mich mit meinem verrückten Haar nimmt doch keiner.“
„Papperlapapp“, lachte Fred, und Thekla kniff über ihren neuerlichen Misserfolg die Lippen zusammen.
Als wir jedoch zur Mitternacht das Fest verlassen hatten, hakte Thekla nach: „Nach meiner Beobachtung nimmt deine Heiratsaussicht zu, Tora. Denn dass du noch immer Jungfer bist, hat garantiert nicht an mangelnden Bewerbern gelegen, sondern an dir selbst, du warst einfach noch nicht reif zur Ehe. Aber freu dich, das hat sich jetzt geändert, seit du abends ausgehst, verliert sich dein Nonnenverhalten, aus dir wird endlich eine normale Frau.“
Aus mir wird eine Frau, etwas Aufbauenderes hätte sie mir nicht sagen können. - Allerdings bedachte ich damals sträflicherweise nicht, dass Theklas Feststellung lediglich im landläufigen Sinn zu verstehen war.
A bendliches Ausgehen konnte ich mir ab Ostern, dem Beginn der Gasthaussaison, kaum noch leisten, denn morgens mussten wir Küchenleute uns jetzt wieder bereits vor dem ersten Hahnenschrei den Schlaf aus den Augen reiben. Nur dann und wann setzte ich mich abends auf Elgrins Bitten für kurze
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